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Dienstag, 3. Juli 2012

Arbeitswochenende mit Webereimuseum Breitenberg


Anfang des Jahres eröffnete mir mein Mann, dass er im Juni zum dreißigjährigen Jubiläum seines Abiturjahrgangs fahren wolle. Schnell war mir klar, dass sich da eine wunderbare Gelegenheit böte, einen Ausflug zu machen, den ich mir schon lange vorgenommen hatte, nämlich seitdem ich währendunserer einwöchigen Aufenthaltes im Bayerischen Wald letztes Jahr die Handweberei Moser besichtigt hatte. Dort war mir damals der Prospekt für den „Leinenradweg“ in die Hände gefallen, 


und im Winter hatten wir bei dem ebenfalls darauf verzeichneten Webereimuseum in Breitenberg vor verschlossener Tür gestanden. 


Nun hatte sich leider für mich noch keine Gelegenheit für einen Ausflug in den Bayerischen Wald geboten, während meine zwei Männer schon mindestens einmal wieder dort waren, als ich mal ein Kurswochenende hatte.
Ganz uneigennützig beschloss ich, dass wir wieder in der bewährten Unterkunft einkehren würden. Ich wusste, mein Sohn würde den ganzen Tag mit den Kindern der Besitzer des Hofstüberls spielen. Einerseits würde mir das viel Ruhe geben, um mitgebrachte Hand-arbeiten an noch unfertigen Quilts für Ste. Marie-aux-Mines zu erledigen. Außerdem hoffte ich allerdings auch, dass es vielleicht möglich sein würde, einmal für eine Zeit alleine das Gelände zu verlassen.
Und so war es – ich konnte eigentlich das ganze Wochenende in Ruhe sitzen und das Sticheln an Linienspiel XXIX fortsetzen, das mich auch im Urlaub auf Föhr gut beschäftigt hatte.


Nur hin und wieder tauchte mein Sohn auf, um seine Fußballschuhe aus- oder wieder anzuziehen. Und Samstagmittag konnte ich mich aufs Fahrrad schwingen, das wir im Auto mitgebracht hatten, und Richtung Breitenberg fahren, ohne ihn aus seinem Spiel reißen zu müssen.
Es ging zwar deutlich mehr bergauf und bergab als mir das noch von unseren Autofahrten im Winter so richtig in Erinnerung war, aber es war eine wunderbare Fahrt durch den sommerlichen Bayerischen Wald.


Das Museum hatte gerade geöffnet, als ich ankam.

Neuseeland-Fahrrad vor geöffneter Tür des Webereimuseums

Mehrere Häuser sind mit vielfältigen Informationen zum Weberhandwerk, das mal ein wichtiger Wirtschaftszweig in der dortigen Gegend war, angefüllt. Die erste Stube, in die man beim Rundgang eintritt, ist bereits mit alten handgewebten Vorhängen ausgestattet. 



Nebenbei findet man aber auch ‚fachfremde’ Informationen.

Trächtigkeitskalender für Haustiere...

An manchen Tagen kommt ein älterer Herr, der ursprünglich mal bei der Handweberei Moser den Beruf des Webers erlernt, aber dann in mehreren anderen Berufen gearbeitet hat und webt. Ich hatte Glück und konnte ihm eine ganze Weile bei seiner Tätigkeit zuschauen. Es ist faszinierend, mit welcher Gleichmäßigkeit die Bewegungen ablaufen, mit welcher Geschwindigkeit das Webstück wächst, mit welcher Sicherheit die Füße einen Schaft nach dem anderen treten.

Experte bei der Arbeit

Allerdings war ein gut Stück Frustration aus seiner Stimme zu hören, als er einmal kommentierte „Das lernt heute niemand mehr richtig als Beruf. Ist unrentabel.“
Er webt wunderbare Leinenhandtücher, die man direkt bei ihm erwerben kann. Ich habe einen ganzen Stapel mitgenommen.

Das gewebte Muster -
die Litzen werden nicht immer wieder neu bestückt,
sondern die Kettfäden werden einfach angeknotet. Spart viel Zeit!


In den weiteren Räumen des Museums wird man über Flachsanbau und –aufbereitung informiert,


sieht zahlreiche weitere Geräte, die bei der Leinenherstellung in Vorbereitung auf das Weben notwendig sind,




und kriegt auch noch einen kleinen Eindruck vom Blaudruck vermittelt, der ebenfalls eine Zeitlang in der Gegend angesiedelt war. 



Dies alles wird anschaulich beschrieben, wenn auch ein paar Geräte durch eine genauere Beschilderung etwas besser einzuordnen wären.
Der Weber erzählte, dass in diesem Jahr bisher sehr wenige Besucher gekommen wären. Sind nun, nachdem diese Techniken als Berufe hier aussterben, nicht einmal mehr die Museen interessant, in denen man wenigstens einen kleinen Einblick darein gewinnen kann?
Insgesamt ein sehr lohnenswertes Museum, v.a. wenn man tatsächlich den „Leinenradweg“ abfährt und auch einen Besuch in der Handweberei damit kombiniert. Aber Vorsicht! Der Bayerische Wald ist keine norddeutsche Tiefebene, es geht wirklich rauf und runter, und die 42 km sind eine satte, nicht unanstrengende Tagestour. 

Sonntag, 13. März 2011

Leinenradweg und Weberstraße im Bayerischen Wald

Während der Faschingsferien verbrachte ich eine Woche mit meiner Familie im Bayerischen Wald. Da die Schneeverhältnisse nicht mehr ganz ausreichend zum Langlaufen waren, haben wir uns den verschiedenen kulturellen Sehenswürdigkeiten der Gegend gewidmet.
Durch Prospekte entdeckten wir, dass es in der Wegscheider Gegend einen Leinenradweg gibt. Natürlich ist es jetzt auch keine Zeit zum Radfahren, aber die Idee sollte man auf jeden Fall im Hinterkopf behalten.
Allerdings standen wir in Breitenberg vor den verschlossenen Türen des Webereimuseums , das nur im Sommer geöffnet hat, oder für vorangemeldete Gruppen. 
Da ich die Geduld meiner zwei Mitreisenden nicht zu sehr strapazieren wollte, indem ich sie als hochinteressierte Gruppenmitglieder ausgab, verschob ich den Besuch des Museums auf einen Zeitpunkt in der hoffentlich nicht allzu fernen Zukunft und nutzte zwei Tage später eine andere Gelegenheit, um in Wegscheid die Handweberei Moser  zu besuchen und zu besichtigen.

Beim Eintritt in die angenehm wohnlich gestalteten Verkaufsräume wird man fast überwältigt von der Leichtigkeit und angenehmen Atmosphäre, die die an den Fenstern aufgehängten Mustervorhänge in verschiedenen Farbschattierungen und Webmustern ausstrahlen. Zahlreiche farbige Flickenteppiche liegen auf dem Boden, Kissenhüllen aus Wolle und Leinen und Tischwäsche und Handtücher in großer Zahl und vielfältigen Mustern lagern in den Regalen. 

Wollteppiche und Flickenteppiche, hier im Regal

Wollene Kissenhüllen

Verschiedenfarbige Handtücher
  
Man findet handgewebte Woll-Läufer, die aus den Resten einer Wolldeckenproduktion hergestellt werden. In manchen Ecken lagern die Materialien für Flickenteppiche


oder das dicke Wollgarn, das nur darauf wartet, verwebt zu werden.



Eine Farbmusterkarte für die dicke Wolle sieht so aus:



Im hinteren Raum hängen Kleidungsstücke, die aus handgewebten Stoffen gefertigt wurden.


Und wunderbar anzusehende und anzufassende Leinenstoffe kann man natürlich auch sehen.

Handgewebte Leinenstoffe - mehr als eine Augenweide!


Ich habe eine Leinendecke für unseren Esszimmertisch gekauft, den wir vor ein paar Jahren ebenfalls im Bayerischen Wald gekauft hatten. Und dann wurde ich gefragt, ob ich einen Blick in die Werkstatt werfen wollte. Ich wollte!

Die Werkstatt ist mit 14 Webstühlen verschiedener Breite ausgestattet. Der breiteste fasst Teppiche bis zu 3 m Breite und ist vermutlich so um die 160 Jahre alt. Ein wahrhaft mächtiger Methusalem!

Ca. 160 Jahre alt und 3 m Webbreite: der Methusalem unter den Webstühlen
in der Handweberei Moser, Wegscheid
An der Wand hängen die zum Bespannen der Webstühle verwendeten Kämme, als wären sie eine Wanddekoration und nicht ein Teil des benötigten Werkzeugs.



Auf diesem Webstuhl wurde ‚meine’ Tischdecke gewebt.



Hier sieht man eine der fünf Angestellten der Werkstatt bei der Arbeit. Den Streifen zwischen dem breithaltenden Holz und der oberen Kante (erkennbar an dem Punkt, wo sich die Kettfäden wieder teilen!) hat sie innerhalb der kurzen Zeit gewebt, die ich mit Schauen und Fragen beschäftigt war. ‚Meine’ Decke von der Größe 130 x 170 cm wurde in ca. 2 bis 2 ½ Stunden gewebt, wurde mir erzählt.



Die Chefin des Betriebs nahm sich freundlich Zeit, um meine zahlreichen Fragen zu beantworten. Ich hatte selbst mal einen kleinen Webstuhl, den ich letztendlich aus Platz- und Organisationsgründen abgegeben habe (Quilten und Weben kann ich wohl nicht gleichzeitig bzw nebeneinander), und so waren meine Fragen nicht die einer völlig Ahnungslosen.

Die Chefin betonte mehrfach, dass sie alle die Arbeit als eine sehr befriedigende Arbeit erlebten, und dass sie eigentlich genug Aufträge hätten, um gut über die Runden zu kommen. Allerdings beklagte sie deutlich die zunehmenden Schwierigkeiten, die einem kleinen Betrieb wie dieser Handweberei bei der Beschaffung des notwendigen Materials begegneten. Hierzu gehören einerseits der Unwille großer Lieferanten, solche kleinen Betriebe auch regelmäßig und zuverlässig mit den von ihnen kleineren Mengen zu beliefern, andererseits natürlich auch die ständig steigenden Rohstoffpreise, die auch gerade solchen kleinen Betrieben zu schaffen machen, weil sie ja gerade kaum mit Mengenrabatten bei der Beschaffung rechnen können. Oder, als weitere Schwierigkeit, der völlige Wegfall eines Lieferanten, der seine gesamte Produktion von Deutschland nach China verlagert, und nun nicht mehr die Abfälle liefern wird, aus denen hier im Bayerischen Wald bisher sehr begehrte Flickenteppiche gewebt wurden.

Solche Auskünfte machen einen natürliche sehr nachdenklich. Wenn man sich nicht bereits vorher ziemlich kritische Gedanken über die sogenannten Vorteile der Globalisierung gemacht hat, macht man es nach einem Besuch in solch einer Werkstatt auf jeden Fall.