Als ich im Juni mit meiner Familie Urlaub auf Föhr machte,
hatte ich mir auch einen Besuch des von Dr. Carl Häberlin gegründeten Friesenmuseums
gegönnt. Neben den vielen darin gezeigten historischen Tatsachen über
die Insel, den Walfang, Aus- und Rückwanderung und die Entwicklung der Insel in
heutiger Zeit entdeckte ich in einer Vitrine eine handgestrickte Baumwolldecke
aus dem Nachlass eines der Föhrer Kapitäne:
Allerdings war sie nur von der linken Seite zu sehen. Trotz
wenig Betriebs im Musem war die Angestellte natürlich nicht bereit, die Vitrine
zu öffnen, damit ich einen Blick auf die ‚rechte’ Vorderseite der Strickarbeit
hätte werfen können. Eine Musterbeschreibung gab es nicht, mein Angebot, im
Austausch für das Öffnen der Vitrine eine solche zu erstellen, traf auf
keinerlei Interesse, ich sei die Erste, die jemals nach diesem Muster gefragt
hätte.
Meine Nachfrage beim örtlichen Handarbeitsladen brachte auch
keine wesentlichen Erkenntnisse, außer der Auskunft, dass es wohl keine
speziellen ‚friesischen’ Strickmuster gebe: die Strickerinnen in der Gegend
seien Nutznießerinnen gewesen, ohne einen eigenen Stil zu entwickeln. Damit
musste ich mich dann erstmal zufrieden geben. Ich hatte mir aber fest
vorgenommen, nach der Ausstellung im Elsass, wenn endlich wieder Zeit für
anderes und vielleicht auch für Spielereien sein würde, dieses Strickmuster
herauszubekommen, auch wenn ich nur von der linken Seite der Arbeit, und in
Foto, ausgehen konnte.
Ein paar Wochen später war ich mit einer Freundin im
Bauernhofmuseum Massing, bei uns in der Nähe in Niederbayern. Und da lag genau so
eine Decke wie im Museum auf Föhr! Praktischerweise auch ‚richtig’ rum, und
nicht mal in einer Vitrine, so dass ich ein paar Nahaufnahmen machen konnte.
Nun war alles kein wirkliches Problem mehr, und ich habe inzwischen
das Muster ermittelt und ausgearbeitet.
Für diejenigen, die es nachstricken wollen, hier die
Anleitung:
8-eckiges Mittelteil
aus 1 M 8 M herausstricken und auf 4 Nadeln verteilen
1. R: *1 M r, 1U, ab * wdh. Achtung, dass die U am Ende der
Nadel nicht verloren gehen. Ab der 5. R. gibt sich dieses Problem.
2. R (und jede folgende gerade R-zahl): r stricken, dabei
immer die letzte M auf die nächste Nadel verschieben.
3. R: *2 r, 1 U, ab * wdh..
5. R.: *1 r, 1 U,
immer wdh.
7. R.: *die ersten zwei M r zusstr., 1 U, 1 r, 1 U, 2 r, ab
* wdh.
9. R: * die ersten zwei M r zusstr., 1 U, 1 r, 1 U, 3 r, ab
* wdh
Ab hier nimmt die Anzahl der nach den zwei U zu strickenden
M in jeder R um eine zu.
Stricken, bis das Mittelteil die gewünschte Größe erreicht
hat.
4 R links stricken, dann in einer r R abketteln.
4-eckiges Zwischenteil
aus 1 M herausstricken: 1 r, 1 U, 1r, 1 U, 1 r, 1 U, 1 r, 1
U
2. R. (und jede folgende gerade R-zahl): r stricken, dabei
immer die letzte M auf die nächste Nadel verschieben.
3. R.: 1 U, 1 r, 1 U,
1 r, noch 3x wdh.
5. R.: 1 r, 1 U, 1 r, 1 U, 2 r, noch 3x wdh.
7. R.: 2 r, 1 U, 1 r, 1 U, 3 r, noch 3x wdh.
9. R.: 3 r, 1 U, 1 r, 1 U, 4 r, 1 U, 1 r, 1U, noch 3x wdh.
11. R.: 1 M abheben, 1 r, die abgehobene darüberziehen, 2 r,
1 U, 1 r, 1U, 2 r, 2 M rechts zusammenstricken, 1 U, 3 r, 1 U, noch 3x wdh.
13. R.: 1 M abheben, 1 r, die abgehobene darüberziehen, 2 r,
1 U, 1 r, 1U, 2 r, 2 M rechts zusammenstricken, 1 U, 5 r, 1 U, noch 3x wdh.
15. R.: 1 M abheben, 1 r, die abgehobene darüberziehen, 2 r,
1 U, 1 r, 1U, 2 r, 2 M rechts zusammenstricken, 1 U, 3 r, 1 U, 1 r, 1 U, 3 r, 1
U, noch 3x wdh.
Wenn die Anzahl der M auf einer Nadel die gleiche ist wie
ein Achtel der M des Mittelteils, 4 R li stricken, und in einer rechten Reihe
abketten.
Zusammenfügen: eine Viertelseite des Zwischenteils wird an
eine Achtelseite des Mittelteils genäht/gehäkelt, und die dazwischenliegenden
Achtelseiten der Mittelteile mit den gegenüberliegenden Achtelseiten anderer
Mittelteile verbunden.
(Alles klar?) Die Strickschrift sieht nun etwas kompliziert
aus, aber wenn man mal dabei ist, und v.a. die ersten vier Reihen überstanden
hat, während derer man mit den Nadeln ein wenig kämpfen muss, erkennt man
schnell die Regelmäßigkeit.
Hier meine beim Erstellen der Strickschrift gefertigten
Teile, um zu beweisen, dass ich es wirklich auch selbst ausprobiert habe und
nicht irgendwelchen Unsinn erzähle:
Bei der Herstellung des Mittelteils hat mich irgendetwas
geritten – warum ich ausgerechnet mit 2er Nadeln und diesem dünnen Garn
gestrickt habe, weiß ich beim besten Willen nicht mehr. Schließlich war mir von
Anfang an klar, dass ich keine ganze Decke in diesem Muster stricken wollte,
und erst recht nicht in diesem dünnen Garn... Für ein Musterläppchen hätte es
auch Strumpfwolle getan. Dies habe ich für den kleineren Zwischenblock dann auch
befolgt. Die beiden Teile passen also nicht zusammen, wie man eindeutig
erkennen kann.
Ob es sich bei diesen Strickdecken nun um eine Art ersten
Massenartikel aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert handelt, ein
populäres Strickmuster, oder was auch immer, habe ich erstmal nicht weiter
verfolgt. Mich hat lediglich das Muster interessiert.
Allerdings begegnete mir im Herbst dann über meine
Quiltfreundin Heidi das wunderbare Buch „Fair Isle Knitting“ von Alice
Starmore, (deren Webseite hier zu finden ist) eine fantastisch ergiebige Beschreibung der
Geschichte der Strickkunst auf den Shetland Inseln, und eben ganz besonders der
Fair Isles. Das Buch mit den weiteren Mustern habe ich gleich mitbestellt.
Daraufhin habe ich eine Mail an Alice Starmore geschrieben,
weil ich ihr ein Foto von der Decke in Massing schicken wollte. Leider hat sie
bis heute noch nicht geantwortet, aber das Jagdfieber hat mich ein wenig
gepackt, und noch habe ich nicht aufgegeben. Vielleicht finde ich nochmal etwas
heraus.
Hat irgendjemand vielleicht so eine ähnliche Decke gesehen, oder eine im eigenen Kapitäns-Nachlass geerbt und könnte etwas über die Herkunft sagen?
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