Sonntag, 21. Dezember 2014

Die Züge waren pünktlich

Gestern habe ich einen Husarenritt der besonderen Art hingelegt. Ich glaube, so etwas kann nur ich mir ausdenken: morgens um sieben mit dem Zug losfahren, mit leerem großem Koffer – dreimal umsteigen – um kurz vor eins in Alfeld zu sein, Ausstellung abbauen, und abends um sechs wieder mit den ganzen Quilts im Koffer in den Zug steigen – diesmal nur zweimal umsteigen – um dann um Mitternacht wieder zu Hause zu sein. Am letzten Adventswochenende. Ohne Sitzplatzreservierung. Eigentlich bestes Material für eine weitere meiner Bahn-Erlebnisreisen-Geschichten. Aber nix da.
Ich hatte vorgesorgt: für jede Strecke einmal Umsteigen eliminiert, weil ich mit dem Auto bis Landshut gefahren bin und es dort am Bahnhof abgestellt habe. Ich wollte nicht naiv auf die Pünktlichkeit der abendlichen Züge im Adventsverkehr vertrauen und vielleicht den letzten Anschlusszug verpassen, um dann eine Nacht am Landshuter Bahnhof zu verbringen. Aber wie es so ist: wenn man für Eventualitätaten gewappnet ist, braucht man sie nicht, das gilt ja oft auch für den vorsichtshalber mitgenommenen Regenschirm. So war ich schon kurz nach Sonnenaufgang in Regensburg.




Ich habe immer einen Sitzplatz bekommen. Nur auf der Hinreise musste ich mir mit halbem Ohr die Leidensgeschichte einer jungen, aus Würzburg stammenden und vom grausamen Bayerischen Ministerium im Bayerischen Wald am Gymnasium geparkten Deutsch- und Französischlehrerin anhören, die einer Bekannten ihr Herz  über den unmöglichen Typen, mit dem sie in einer Beziehung ist, ausgeschüttet hat, anhören. Diese Geschichte war so eindeutig, dass ich mir ganz schwer auf die Zunge beißen musste, um nicht reinzuplatzen und zu sagen „Mädel, dem Typen musst Du noch vor Weihnachten den Laufpass geben!“ Aber ich war tapfer, habe mich dran erinnert, dass ich mit kleinen Stöpseln Musik über diese Geräuschkulisse legen könnte, und dann auch beim Aussteigen geschwiegen wie ein Grab. Ich bin zwar der Meinung, dass diese Freundin deutliche Worte hätte finden müssen, aber da ich nicht diese Freundin war, habe ich mich eisern diszipliniert. Ist mir nicht leicht gefallen!

Ein (vorerst?) letztes Mal im Anmarsch auf das Fagus Werk

Einen letzten Besucher, der sich nach der offiziellen Öffnungszeit noch in den Ausstellungsräumen aufhielt, mussten wir erst behutsam nach draußen schaffen.



Das Abbauen war dann kurz und schmerzlos – bis auf diese kleine Begegnung mit dem Tode. Das Mäuschen lag in einer der Abteilungen auf dem Boden. Erstarrt vor soviel Kunstbewunderung?



Und so sieht dann eine eingepackte Ausstellung aus:

Bis auf die auf Holz gezogenen 40 x 40 cm Teile:
alle Quilts im Koffer.


Der Rest des mitzunehmenden Gepäcks:
die kleinen, die gebündelten Stangen, und mein Reiserucksack

Kommt per Post: die Verpackungsfolie

Ganz anders als vorher...
Am Bahnsteig erregten Gabi Weimer und ich noch relativ wenig Aufsehen, 

Das Manövrieren einer solchen
Stangen-Konstruktion muss geübt werden!

Gabi Weimer - der rote Koffer ist allerdings meiner!

aber als wir mit unseren schweren Koffern und anderen Teilen in den Zug einstiegen, wurden uns schon ein paar skeptische Blicke zugeworfen. Besonders als ich nach dem Umstieg in Göttingen meine gebündelten Stangen ins ICE-Gepäcknetz hievte, war mir die Aufmerksamkeit des gesamten Großraumabteils sicher.

Wie abgemessen: das Transportwägelchen ließ sich
hervorragend verkeilen, keinerlei Absturzgefahr
für darunter sitzende Fahrgäste -
jedenfalls, solange niemand dranfasst!

Dank freundlicher Mithilfe in Nürnberg habe ich auch dort meinen knapp bemessenen Anschlusszug erreicht, und war dann kurz nach Mitternacht wieder zu Hause. Da ich das Auto am Bahnhof stehen hatte, hätte ich sogar den letzten Zug in Landshut bekommen. So war das ein Weihnachstausflug der besonderen Art, weit weg von Weihnachstmarktgedudelmusik. Und ich konnte die vielen Stunden sogar gut nutzen und endlich den zweiten Ärmel für ein Strickteil fertigstellen, das unbedingt abgeschlossen sein musste, bevor ich ein neues anfangen darf. Warum die Ärmel nicht gleich geworden sind, wissen die Götter. Stört mich aber vielleicht nicht - mal sehen, wie es sich anfühlt, wenn sie eingesetzt sind.


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