Im letzten Heft dder Mitgliederzeitschrift der Patchworkgilde steht eine kurze Beschreibung meiner Fortschritte im "Baby Jane"-Projekt, an dem ich seit fast zwei Jahren beteiligt bin. (Und das langsam mal beendet werden sollte...). Ursprünglich sollte der Artikel länger sein, aber aus Platzgründen musste ich ihn kürzen. In Absprache mit dem Chef-Redakteur der Zeitschrift veröffentliche ich hier nun die ungekürzte Version.
Sag‘ Niemals Nie - oder: Die Befreiung durch die Quiltpolizei
Ich habe gelogen. Als ich die Zeile des Beitrags für das
letzte Heft tippte, „Es ist noch nichts entschieden!“, da war eigentlich schon
alles entschieden. Mein Baby würde ohne Tortenstücke auskommen müssen. Aber
schließlich muss bei einer Fortsetzungsgeschichte auch noch ein bisschen Fadenspannung
mit einfließen. Inzwischen ist die Baby-Jane-Gruppe auf Facebook bei den
Tortenstücken angekommen - und dadurch, dass ich die nicht mitmache, ist mein
Rückstand deutlich geschrumpft. (Digital könnte hier jetzt ein Smiley-Emoticon
stehen.)
Dann kam der September, und ich bekam von weitem mit, dass
in der Facebook-Gilde-Gruppe (nicht die mit dem Baby Jane) eine intensive Diskussion
auch darüber tobte, was denn jetzt eigentlich traditionell und was modern sei.
Siehe den Kommentar von Barbara Lange hier im Heft. Und obwohl ich mich in die
Diskussion nicht eingeklinkt habe, habe ich mitbekommen, dass meine Art, mit
dem Baby-Jane-Projekt umzugehen, unter manchen Traditionalisten durchaus auf
heftige Kritik trifft. ‚Darf‘ man das, so ein traditionelles Projekt mit
handgefärbten Stoffen nähen? ‚Darf‘ man das, sich die Freiheit nehmen, einen
Block, den man selbst nicht so schön findet, oder der in einer Technik gemacht
wurde, die einem nicht so liegt, durch einen anderen zu ersetzen?
Bei meinen bisherigen Aktivitäten im Baby-Jane-Bereich ist
mir schon mehrfach aufgefallen, dass die Blöcke, die fotografisch abgebildet
sind, nicht exakt übereinstimmen mit dem, was Brenda Papadakis daraus gemacht
hat. Was bedeutet das nun - an welcher ‚Vorlage‘ muss ich mich, wenn ich so
einen Block richtig traditionell nachnähen
will, orientieren? Eher an der von Jane, oder eher an der von Brenda? ‚Darf‘
Brenda das, die Ur-Blöcke des Original-Quilts aus welchen Gründen auch immer
minimal verändern? Die Blöcke von Jane Sickels sind in vielen Fällen so anders
als alles, was sonst an Blöcken aus der Zeit überliefert ist, dass man sich auch
fragen muss, ob Jane sich überhaupt an die Spielregeln der Traditionalisten
gehalten hat. (Damalige, oder heutige, das ist eigentlich egal.) Ob ihr irgendjemand gesagt hat, dass man
das so nicht machen darf? Und wenn man sie jetzt fragen würde, wie sie dazu
steht, dass jemand ihre Muster nachnäht, aber eigene Abweichungen reinbringt -
wie würde sie wohl antworten? Würde sie erwarten, dass man sich sklavisch an
ihre Vorlage hält, oder würde sie es begrüßen, wenn jemand mit Spaß und mehr
oder weniger Elan bei der Sache ist und seine eigene Note ins Spiel bringt?
Zugegeben, in den letzten Wochen seit dem vorigen Heft habe
ich nur wenige Blöcke genäht. Und mich wieder nicht sklavisch an die Vorlagen
gehalten. Zum Beispiel Block B10, da fand ich es geschickter, einen ‚normalen‘
Nine-Patch zu machen, als die merkwürdig verschobenen Maße, die im Buch
aufgezeichnet sind.
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B 10 im Buch - der mittlere Block ist in seinen Maßen unpraktisch... |
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B 10 in meiner Variation |
Bei der Herstellung eines Nine-Patches mit rationellen
Methoden allerdings entstehen zusätzliche Exemplare. Die schmeiße ich doch
nicht weg! Was kann man also damit anstellen… ? Ich nähte einen kleinen Block
zusammen, der zwar - meiner Meinung nach - nach allen Regeln der traditionellen
Blocks aufgebaut und genäht ist. Aber vermutlich würde er vor den kritischen
Augen der Quiltpolizei nicht bestehen können. Trotzdem kommt er in meinen
Stapel.
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Verwendungsmöglichkeiten für überschüssige Nine-Patches |
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der fertig gestellte Extra-Block |
Bei einem schon früher hergestellten Block sind vier diagonal geteilte
Quadrate übrig geblieben, die mir irgendwann mal aus dem Buch entgegenpurzeln,
weil ich auch die damals nicht weggeschmissen habe. Auch daraus kann ich einen
Block nähen, der für mich sehr traditionell ist, aber, s.o. …
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ein für mich traditioneller Block, aber nicht Teil des Dear-Jane-Schemas... |
Und wie sieht es
aus damit, dass ich ja schon vor längerer Zeit einen Block ersetzt habe durch
eine Mini-Version des „Underground Railroad“-Blocks? Das ist für mich einer der
traditionellsten Blöcke überhaupt, kommt aber in Janes Original „Dear Jane“
nicht vor. Entweiht er jetzt meinen Baby Jane… oder ist der sowieso nicht mehr
zu retten? Soll ich ihn vielleicht lieber woanders unterbringen?
Schon fast viele der Mini-Jakobsleiter, ein weiteres Nebeneffekt-Projekt, das noch in der Entstehung begriffen ist, aber noch eine klare Farbkonzeption braucht... |
Dann noch Block B 11 - im Buch mit kleiner Rundung. Da habe ich gerade keine Lust drauf. Meine Version ist vereinfacht. Aber der Charakter des Blocks geht nicht völlig verloren.
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B 11 im Buch |
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B 11 von mir |
Ich habe dieses Projekt des Baby Jane ja nicht für die Quiltpolizei
angefangen, sondern um mir eine eigene Meinung zu bilden. Und um am Schluss
einen Quilt zu haben, der mir, und ganz alleine nur mir, gefällt. Dazu gehört,
dass ich mir erlaube, Blöcke, die eine Technik benutzen, die mir nicht
sonderlich behagt, auszulassen oder zu verändern. Und dass ich mit den Stoffen und in den
Farben arbeite, die mir persönlich gefallen. Und in meinen Augen ist es
trotzdem ein traditioneller Quilt, aus heutiger, meiner persönlichen Sicht genäht.
Als Selbstmotivation habe ich nun alle von mir schon fertig
genähten Blöcke an die Wand gepinnt. Es sind über 100, ich bin also fast zwei
Drittel des Weges gegangen, jedenfalls des Weges der Innenblöcke.
Und ich
staune - auch ohne Zwischenstreifen und völlig planlos aneinander gereiht sieht
das alles, jedenfalls in meinen Augen, gar nicht schlecht aus. Sogar ganz gut. Farbenfroh,
wie ich meine traditionellen Quilts mag. Ich nähe nämlich immer mal wieder
einen traditionellen Quilt. Allerdings sind das Gebrauchsquilts, die ich
deshalb nicht in Ausstellungen zeige. Ich als Quilterin möchte mich also auch
gar nicht in eine der Schubladen ‚traditionell‘ oder ‚modern‘ fest einordnen
lassen, selbst wenn ich für meine modernen Quilts bekannt bin. Vermutlich stehe
ich auf Barbara Langes Schachfeld genau in der Mitte (wenn man mal davon
absieht, dass es auf dem Schachfeld kein exaktes Mittelquadrat gibt). Das ist Einstellungssache,
und die Diskussionen auf Facebook, die ich erst jetzt, kurz vor Schreiben der
Kolumne teilweise nachgelesen habe, haben für mich eine durchaus befreiende
Wirkung.
Meine letzte Note in Handarbeiten in der Schule (6. Klasse, bei
Frau Winterhalder) war eine 3, weil ich zwar bei technischen Fähigkeiten und
Kenntnissen Spitze war, mir aber immer zu viel (‚künstlerische‘?) Freiheit in
der Umsetzung der Aufgabenstellungen genommen habe. Was würde Frau Winterhalder
zu meinem Baby Jane sagen? Ob ich wohl eine 3 bekommen würde?
Ich mache weiter. Ich gehe jetzt die Reihen im Diagramm des
Buches durch und fülle auf, was ich noch nicht gemacht habe. Oder lasse aus,
oder ersetze. Ob es 169 Blöcke werden, kann ich noch nicht sagen. Vielleicht
höre ich auch nach 144 auf, dann wären es 12 auf 12. Ob ich das darf?
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So lautet der ursprüngliche Text. Aktueller Stand heute: 126 Blöcke.
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