Montag, 15. Oktober 2012

Der Preis und ich.


Dieses Jahr habe ich es kein einziges Mal geschafft, über eine Einreichung in eine der ‚großen’ Ausstellungen zu kommen – Triennale, EQA, SAQAs Wide Horizons III, Schweinfurth, und jetzt, gerade in der vergangenen Woche Quilt National. Eine Ablehnung nach der anderen. Trotzdem war es natürlich wegen der Ausstellung im Elsass insgesamt für mich ein produktives und erfolgreiches Jahr.
Aber jetzt habe ich den Friedensnobelpreis bekommen! 

(Foto von der Webseite der Financial Times Deutschland)

Nun ja – einen winzigen Teil davon, ein ca.-fünfhundertmillionstel, denn ich bin als Bürgerin ja auch ein Teil dieser Europäischen Union, die den Preis bekommen hat. Laut Glosse des Bayerischen Rundfunks entfielen damit auf mich rechnerische €0,0018. Wahrlich nichts, um dadurch reich zu werden, geschweige denn, dass ich dieses Geld jemals persönlich zu Gesicht bekommen werde. Gerne aber überlasse ich meinen Anteil dem Europäischen Rettungsfond, in der Hoffnung, dass es klappen wird, die Finanz- und was-weiß-ich-was-für-eine-Krise-es-überhaupt-ist damit möglichst schnell und für alle Betroffenen auch möglichst glimpflich zu beenden.

Das erste Mal, dass ich mich öffentlich zu dieser Sache „Europäische Union“ äußern musste, war während eines einjährigen Aufenthaltes als teaching assistant an einem College in den USA (1988/89). Dort veranstalteten die Politologen eine Podiumsdiskussion über die Europäische Union und holten die anderen teaching assistants und mich als ‚echte Euroäer’ als Diskutanten mit auf das Podium. Damals hatte ich noch weniger Ahnung von Wirtschaftsfragen als heute, sah nur den Gedanken der Friedensschaffung und der internationalen Verständigung und war dementsprechend eine begeisterte Anhängerin der Idee. Ich erinnere mich deutlich, dass ich damals in meinem Schluss-statement sagte „I am excited about it.“ Seitdem ist in Europa viel passiert – zum Beispiel gleich als erstes der Mauerfall, den zu meinen Lebzeiten zu erleben ich noch bei der Diskussion damals nicht ernsthaft erwartete... Kaum mehr als ein halbes Jahr später aber war es schon soweit. Dann rückte die deutsche Wiedervereinigung erstmal etwas in den Vordergrund.
Die europäische Reisefreiheit finde ich natürlich eine wunderbare Errungenschaft. Die Einführung des Euro habe ich schon mit ein wenig Skepsis gesehen – schließlich ist das „ich muss noch Geld wechseln“ und dann im anderen Land mit Umrechnungskursen hantieren doch irgendwie auch ein schöner Teil des Reisens. Und den Deutschen ist ja im Vorfeld auch ein gehöriges Maß an Euro-Skepsis eingeredet worden – würde er so stabil sein wie die gute alte deutsche Mark? Aber bequemer ist es letztendlich doch, wenn in vielen Ländern die gleichen Münzen gelten.
Was ich aber nie verstanden habe, ist, warum auf Anordnung aus Brüssel hin nun in allen Ländern die Schokoladenpackungen gleich groß sein müssen, oder warum eine Zeitlang nur gerade Salatgurken in den Handel kommen durften, und solche merkwürdigen Sachen. Denn gerade die lokalen Unterschiede sind doch auch das Interessante am Reisen. Und dazu gehören meines Erachtens eben auch unterschiedliche Packungsgrößen.
Was ich auch nicht verstehe, ist, warum spanische Erdbeeren auch in der Erdbeerenhochsaison in Deutschland billiger sind als deutsche Erdbeeren, obwohl sie bereits mehrere tausend Kilometer transportiert worden sind. Überhaupt: warum spanische Erdbeeren in Deutschland? Aber spanische Orangen esse ich natürlich sehr gerne, und die wachsen in Deutschland ja auch nicht so gut... (Diese Widersprüchlichkeiten in meiner Einstellung kann ich gut aushalten.)
Über Griechenland und die Euro-Krise, mögliche weitere Anwärterschaften, die Dominanz des Wirtschaftsdenkens in europäischen Gremien etc. will ich hier nichts weiter sagen, da ich davon wirklich zuwenig verstehe. Aber die Friedenswirkung und Ausgleichsleistungen der Europäischen Union, für die die gesamte Gemeinschaft den Friedensnobelpreis bekommen hat, die will ich noch einmal erwähnen. Das ist eine Wirkung, deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Sicher ist noch bei weitem nicht alles in der EU perfekt, viele Dinge harren noch einer Entwicklung, und für viele Bereiche brauchen wir in vielen Teilen der europäischen Bevölkerungen (aber auch der Politiker) überhaupt erst noch eine Bewusstwerdung. Zum Beispiel würde ich mir wünschen, dass die EU insgesamt weniger Waffen exportiert. Und eine wesentlich ökologischere Politik betreibt – heute heißt das „nachhaltiger“. Aber dass ich meiner Lebenszeit in diesem Land, in dem ich lebe, noch keinen Krieg direkt miterleben musste, ist, gemessen am 19. Jahrhundert eine unglaubliche Entwicklung. Dass Freundschaften grenzüberschreitend und einfach möglich sind, war nach dem, was in den letzten Jahrhunderten so alles auf deutschem Boden geschehen ist, nicht unbedingt zu erwarten. Es ist ein Gewinn für alle.
Und jetzt haben wir dafür auch noch den Friedensnobelpreis bekommen. Wollen wir hoffen, dass wir alle, die wir in der Europäischen Union leben, uns dieses Preises würdig erweisen. Es wird spannend, wie das weitergeht.
Und als Co-Repräsentantin für die Region Europa/Mittlerer Osten für SAQA bin ich ja irgendwie auch dabei. Denn in der Quilt-Welt sprechen viele Menschen grenzüberschreitend eine einheitliche Sprache. Dies zu fördern und fortzusetzen ist auch ein ganz kleiner Teil des Auftrages, den der Friedensnobelpreis beinhaltet. Selbst wenn das Kommittee in Oslo vielleicht nicht unbedingt daran gedacht haben sollte.

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