Mittwoch, 31. August 2011

Ai Wei Wei im Kunsthaus Bregenz

Als ich auf der Rückfahr von meinem Kurs- und Übersetzungsaufenthalt in der Schweiz durch Bregenz kam, wollte ich eigentlich im Kunsthaus vorbeischauen, musste aber feststellen, dass es noch eine Woche vor der Eröffnung von Ai Wei Weis Ausstellung „art / architecture“ war.



Damals reifte der Entschluss, auf jeden Fall Freundesbesuche während der Sommerferien meines Sohnes so zu legen, dass es mir noch möglich sein würde, diese Ausstellung zu sehen. Hinzu kam dann noch die Lektüre des vor kurzem veröffentlichten Buches mit der Auswahl von Blogeinträgen von Ai Wei Wei, über die ich hier schon berichtet habe.
Vor einigen Tagen war es dann soweit – mein Schwager hat mit meinem Sohn Minigolf gespielt und Eis gegessen, während ich mir die Ausstellung angesehen habe.



Das Kunsthaus hat trotz der nominellen Freilassung Ais den auf dem Dach des Hauses installierten Schriftzug beibehalten, was ich vollkommen richtig finde. Schließlich ist er alles andere als ‚frei’, und so ein Statement kann nicht oft genug wiederholt werden.
Die Ausstellung erstreckt sich über drei der vier Etagen des Hauses und konzentriert sich auf die architektonischen Kooperationsarbeiten Ais.
Hierzu gehören zahlreiche Modelle des Nationalstadiums in Peking, bei dessen Entwurf er als ‚kultureller Berater’ für das Architektenteam Herzog & de Meuron mitgewirkt hat, und Entwürfe verschiedener Gebäude in den USA, die tatsächlich gebaut worden sind.

Modelle des Nationalstadions in Peking

Besonders beeindruckend allerdings ist das Holzmodell des leider (noch nicht?) verwirklichten Projektes „Ordos 100“

Holzmodell "Ordos 100"

Ai Wei Wei war hier der mastermind hinter dem Projekt, bei dem er 100 Architektenbüros aus aller Welt einbezogen hat. Für ein Neubau-Gebiet in der Inneren Mongolei sollten Häuser mit einer festgelegten Nutzfläche entworfen werden. Ein Ziel der Aktion für Ai Wei Wei war es, eine Diskussion über moderne Architektur in China anzuregen. Seiner Meinung nach fehlt diese im derzeit in China herrschenden Bauboom völlig, was dazu führt, dass bei der Schnelligkeit, mit der Gebäude in China hochgezogen (und viele alte Bereiche in Städten dafür rigoros abgerissen) werden, die kulturelle und architektonische Identität dieser uralten Kulturnation völlig verlorengeht. Die hundert Entwürfe werden im Detail in Plakaten vorgestellt, die ringsum an den Wänden des zweiten Stockwerkes angebracht sind. Ai Wei Wei selbst hat, soweit ich das feststellen konnte, keinen Entwurf beigesteuert, allerdings dafür gesorgt, dass für die Ausstellung in Bregenz dieses Holzmodell des gesamten Areals aus einer Holzsorte, in bewährter chinesischer Intarsienarbeit angefertigt wurde. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung war das Modell noch nicht aus China exportiert worden, und die Organisatoren der Ausstellung haben offenslichtlich einige bange Wochen verlebt, ob es ihnen noch gelingen würde. Unter der Produktbezeichnung „Chinese Design“ hat es dann aber doch geklappt.

Jedes einzelne dieser Häuser verdiente wohl, im einzelnen und genau vorgestellt zu werden. Da ich aber keine Architektin möchte ich hier nur zwei zeigen, die mir besonders aufgefallen sind: ein ‚versenktes’, und eines, das die topographischen Vorgaben der Landschaft erhöht widerspiegelt.

In den Erdboden versenkt -
Lichteinfall durch Aussparung im inneren Bereich

Plan für das versenkte Haus

Topographische Elemente als Dach übernommen

Detail vom Plan

Laut Auskunft einer der Aufsichtspersonen hat die Insolvenz des vorgesehenen Investors bisher verhindert, dass dieses Projekt tatsächlich realisiert wird, angeblich soll es sich dabei nicht um politische Gründe handeln.

Im obersten Stockwerk kann man dann, in zwei Reihen angeordnet, eine Version der Installation „Moon Chests“ sehen. In Anlehnung an traditionelle chinesische Möbelformen, und ausgefährt in traditioneller chinesischer Holzkunst, zusammengefügt ohne jegliche Metallteile, stehen 8 Kästen hintereinander. Durch die bei jedem Kasten an einer anderen Stelle ausgesparten kreisrunden Gucklöcher kann man bei jeder der Reihen von einem zum anderen Ende ‚durchsehen’. Die Aussparungen wirken dann, je nach Blickwinkel, ein weing wie unterschiedliche Mondphasen. Mir hätte die Wirkung auch schon ohne diese hintergründige Intention gefallen.


Moon Chest
Außerdem sieht man schon im ersten Stockwerk noch Fotoserien, die auf Bildschirmen projiziert werden, und zwei Videos. Einerseits das Video „Beijung 2nd ring“, und andererseits ein Video vom Abriss des Studios, das Ai Wei Wei auf Einladung und Aufforderung der Stadt Shanghai in Shanghai gebaut hatte, und das kurz nach der Fertigstellung wieder abgerissen wurde, weil seine offenen Meinungsäußerungen und politischen Aktionen so viel Unmut auf offizieller Seite verursacht hatte.
Dieses Video hat mich fast ein wenig verstört. Einerseits dieser absurde Prozess – offizielle Einladung, ein Studio zu bauen, dann der offizielle Abriss des kaum fertiggestellten Gebäudes – und andererseits aber die Tatsache, dass davon Videoaufnahmen angefertigt werden durften (oder jedenfalls eine Aufnahme nicht verhindert wurde), auf denen Ai Wei Wei zeitweise selbst als bei den Abrissarbeiten zugegen zu sehen ist. Und natürlich die Stärke, die er selbst aufbringen musste, in solcher einer Situation auf die Idee zu kommen, aus diesem Akt der Willkür in Umkehr wieder ein Stück Kunst zu produzieren. Wer schafft das schon?

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