Mittwoch, 20. April 2011

Geklebt oder genäht?

Eine der am häufigsten gestellten Fragen, die ich im letzten Jahr hörte, wenn Leute vor meinen Quilts der Serie ‚Linienspiel’ standen, war „Ist das nun genäht, oder vielleicht doch geklebt?“
Hier können Sie ein kritisch hinterfragtes Beispiel sehen:

Linienspiel IX (2009), 183 cm x 187 cm

Und, um noch einen besseren Eindruck zu gewinnen, hier eine Detailaufnahme des Bereiches links oben:

Detail von Linienspiel IX

Viele BetrachterInnen wollten einfach nicht glauben, dass diese Linien, die so aussehen, als ob sie miteinander verwebt sind, tatsächlich genäht sind, und nicht mit Vliesofix einfach draufgepappt. Aber es ist so: ich bin eine aus tiefstem Herzen überzeugte Piecerin und verwende Vliesofix eigentlich nur, um textile Karten herzustellen. Ich persönlich finde nun nicht, dass es so schwierig ist, diese Kurven zu nähen, aber ich gebe schon zu, dass ich auch einige Probestücke durchlaufen habe, die eher den Status eines NFO halten als den eines noch fertigzustellenden UFOs, bevor ich so weit war...

Die Serie Linienspiele wurde von den ersten Strichzeichnungen meines damals 2 ½ -jährigen Sohnes inspiriert, die er völlig alters- und entwicklungsgemäß malte, als er zum ersten Mal anfing, einen Stift zu halten. (Unter Aufsicht, damit er auch wirklich nur auf dem Papier malte – was er dann oft genug doch umging. Wir haben einige sehr interessante Wandbilder in unserem Haus verteilt.) Vermutlich waren das genau die Art von Bildern, die Picasso gemeint haben muss, als er gesagt haben soll, dass er sein ganzes Leben gebraucht habe, um zu lernen, wieder wie ein Kind zu malen.
Hier ist ein Foto von Linienspiel I, eine freie Interpretation des ersten Bildes, das bei mir den Wunsch auslöste, mich von seinen Malereien zu Quilts inspirieren zu lassen:

Linienspiel I (2008), 110 x 152 cm

Bei diesem Quilt habe ich mich ziemlich genau an seine Farbgebung gehalten und habe auch versucht, mit möglichst wenig bewussten Veränderungen seines Originalbildes auszukommen. Allerdings hat der Freihandschnitt, und die Beschränkung auf einen Ausschnitt des Bildes, und dann natürlich die Herausforderung, alles irgendwie auch nähtechnisch zusammenzubringen, zur Gestaltung insgesamt beigetragen.
Für einige spätere Quilts in der Serie habe ich dann sogar Papierschablonen verwendet, weil ich den Effekt der miteinander verwobenen Linien sicherstellen wollte. Dieser ist mit der Freihandtechnik nur äußerst schwierig zu erreichen – d.h., ich weiß nicht wirklich, wie man das Freihand hinkriegen kann.
Hier sehen Sie ein Bild von Linienspiel XIX. Die Inspiration für diesen Quilt war allerdings kein Bild meines Sohnes.

Linienspiel XIX (2010), 117 x 119 cm

Für Linienspiel XIX habe ich sogar eine Studie angefertigt von dem Ausschnitt, den ich für den am schwierigsten zu nähenden hielt, das war dann Linienspiel XVIII:

Linienspiel XVIII (2010), 40 x 40 cm

Allerdings stellte sich beim Zusammennähen von Nr. XIX heraus, dass die wirklich schwierige Sektion eigentlich dieser Ausschnitt war:

Detail von Linienspiel XIX

Ich habe – nach mehreren Versuchen und vielen Flüchen – dann einfach einen Teil von Hand genäht. Das war dann eine Gelegenheit, wo ich wirklich sehr froh darüber war, einmal die Zeit genommen zu haben, um Jinny Beyers Buch Quiltmaking by Hand, das ich bereits einmal erwähnte, durchgearbeitet zu haben.

Während ich im März von Hand an meinem UFO nähte, kam mir dann aber auch die richtige Idee für meinen Quilt für den Wettbewerb für das Elsass. Eine Vorstellung davon, welche Zeichnung meines Sohnes ich diesmal umsetzen wollte, hatte ich zwar schon lange, allerdings zögerte ich noch, mit der Arbeit anzufangen, weil es mir diesmal so kompliziert vorkam, dass ich einfach noch unentschlossen war. Das Thema lautet auf Englisch „Tangle“. (Die deutsche Übersetzung als ‚Geflecht’ ist nicht ganz glücklich, eigentlich müsste es eher ‚Gewirr’ heißen.)
Während des Urlaubs im März wurde mir dann aber klar, dass ich ja auch ein wenig Beschäftigung brauchen würde, wenn ich im April für fast drei Wochen zu Freunden in die USA fahren würde. Und damit war der Damm gebrochen. Innerhalb von drei Tagen habe ich den Entwurf aufgezeichnet, die Stoffe zur Auswahl zusammengesucht, wieder verworfen und schließlich diese Auswahl getroffen. Einen intensiven Tag zum Zuschneiden der Teile – und jetzt kann es losgehen!

Probehalber aufgesteckt, zur Auswahl


Endgültige Auswahl der Stoffe

Zuschneiden mit Papierschablonen

Ich rechne zwar nicht damit, dass ich alles von Hand zusammengenäht haben werde, wenn ich aus den USA zurückkomme, aber wenigstens die allerschwierigsten Abschnitte, die besonders fieselig sind, werden sicherlich bereits fertig sein. Und für den Rest kann ich mich dann ja auch wieder an die Nähmaschine setzen.

Montag, 18. April 2011

Kunst am (Ab)bau

Im Januar habe ich in meinem englischen Blog von einer faszinierenden Ab-Baustelle berichtet, und ein paar Fotos gezeigt von dort gesehenen Metallteilen, die man so schön in Kunst hätte verwandeln können, wenn ich bereits den Kurs im Schweißen absolviert hätte, von dem ich schon seit längerem träume.  
Diese tägliche Faszination ist nun leider bereits seit längerem beendet, der gesamte Abbauprozess dauerte ungefähr sechs Wochen, und durchlief die verschiedensten Stadien von hier (aufgenommen am zweiten Tag des Abrisses, als mir klar wurde, dass es vermutlich interessant werden könnte, den Fortgang dokumentarisch zu begleiten)

Der Abriss hat begonnen

bis zu diesem Stadium:

(fast) alles weg...


Im Grunde handelte es sich um eine Gegenseite zum in Deutschland vorgeschriebenen Kunst am Bau... 

In meinem ersten Bericht nannte ich die fotografierten Dinge‚could have been art’ – Kunstmöglichkeiten. Damals meinte ich die Gegenstände, und finde den Begriff immer noch passend, allerdings kann man ihn auch gut auf die Fotos selbst ausdehnen. Obwohl die ja vielleicht sogar bereits Kunst sind, wer weiß. Hier möchte ich eine kleine Auswahl an weiteren Bildern zeigen, die ich im Lauf der Wochen aufgenommen habe.

Dinosaurier bei der Futtersuche?

Fragile Treppe - wohin?

Schattenspiele an der Wand

Auf dem Weg zum Muster

Hängepartien

Untergrund

Komposition mit Kreisen und Linien

Komposition mit Rechtecken

Die auf der Abbruchstelle Beschäftigten kannten mich dann schon, haben mich aber jedes Mal gleichermaßen misstrauisch beäugt. Und nie habe ich den Mut gehabt, zu fragen, ob ich das eine oder andere schöne Schrottstück mitnehmen könnte, so als erste Materialsammlung für den Schweißkurs...

Dienstag, 12. April 2011

Entdeckung aus der Schuhschachtel - Vivian Maier

Vor einigen Wochen stieß ich im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung auf einen Artikel mit der Überschrift „Die Unbekannte“, der mich, vor allem wegen des abgedruckten Fotos, sogleich in seinen Bann zog:

Es handelte sich um die Ankündigung einer Fotoausstellungn in Hamburg mit Werken der bis vor kurzem völlig unbekannten Fotografin Vivian Maier. Leider habe ich die Ausstellung nicht selbst gesehen, sondern konnte nur alle, die ich in Hamburg kenne, darauf aufmerksam machen. Aber eine kleine Zeit am Computer, und schon kann man einiges über Vivian Maier erfahren.
Franko-Amerikanerin, Kindermädchen – und eben street-photographer: Vivian Maier (1926 - 2009) muss ihre gesamte Freizeit mit dem Fotoapparat auf der Straße unterwegs gewesen sein. Was mich an ihrer Geschichte am meisten fasziniert, aber auch verstört hat, anders kann man das nicht nennen, ist die Tatsache, dass sie Zehntausende von Fotos gemacht hat, aber offensichtlich keinerlei Bedürfnis verspürte, diese Fotos auch mal in entwickeltem bzw. abgezogenem Zustand zu sehen. Ihre sämtlichen Negative wurden auf einer Auktion in einem Pappkarton zum Verkauf angeboten. Glücklicherweise wurden sie von John Maloof, einem Immobilienmakler aus Chicago, gekauft, der dabei war, ein Buch über seinen Stadtteil in Chicago zu schreiben. Und der begriff, um was für einen Schatz es sich hierbei handelte.
Er veröffentlich regelmäßig Fotos auf einem Blog  und ist wohl dabei, die Herausgabe eines Buches mit Vivians Fotos vorzubereiten. Und er hat es geschafft, ihre Geschichte bekannt zu machen und ihre Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren. Auf seinem Blog finden sich Links zu den verschiedenen Formen der Berichterstattung über die Entdeckung, und über eine Ausstellung in Chicago Anfang diesen Jahres, Berichte in deutschen Medien finden sich u.a. hier und hier und hier  und hier
Ein weiterer Teil des Nachlasses von Vivian Maier befindet sich im Besitz von Jeff Goldstein, der ebenfalls auf einer Webseite darüber berichtet und in den nächsten Tagen eine Ausstellung ihrer Werke in Chicago eröffnet.
Selbstverständlich findet man bei Suchen im Internet mittlerweile viele Fotos

Was für eine Frau sie wohl war? Dass sie kein Bedürfnis verspürte, ihre vielen Bilder auch mal anzuschauen? Selbst wenn sie selbst vielleicht nicht damit an die Öffentlichkeit gehen wollte, keinen Anspruch hatte, als Künstlerin (an)erkannt zu werden. Hunderttausend Fotos gemacht, und kein einziges davon angesehen...
Wie gut, dass John Maloof ein Gespür für die Qualität dieser Aufnahmen hatte und sie vor dem Vergessen bzw. Untergang bewahrte. Denn: was für ein Auge für Szenen! Diesen Blick entwickelt und geschult und photographisch umgesetzt zu haben, ist eine künstlerische Meisterleistung. Auch wenn wir jetzt nicht wissen können, wie Vivian Maier selbst diesen Veröffentlichungen gegenübergestanden hätte - ich bin froh, dass sie auf diese Art wenigstens einen Schatten in der Kunstwelt hinterlassen hat, ähnlich, wie sie sich selbst in vielen ihrer Bilder mit eingebaut hat, wie man hier sehen kann.

Freitag, 8. April 2011



Vom 8. bis 28. April besuche ich Freunde in den USA. Wenn Blogger meine Bemühungen der letzten Wochen berücksichtigt, werden während dieser Zeit trotzdem ein paar Posts erscheinen. Ich melde mich dann wieder aktuell nach meiner Rückkehr.

Dienstag, 5. April 2011

Patchwork- und Textilmarkt Erding

Vergangenen Sonntag war dann endlich der Patchwork- und Textilmarkt in Erding, den ich schon hier und hier erwähnte, als ich über die dafür bei mir laufenden Vorbereitungen berichtete.
Der Tag ging früh los, Abfahrt um kurz nach sieben, denn bei einer Stunde Fahrtzeit wollte ich so rechtzeitig dort sein, dass ein ruhiges Aufbauen noch möglich sein würde, bevor sich um 10 Uhr die Türen der Stadthalle Erding öffnen würden. Unterwegs wurde ich von einigen wunderbaren morgendlichen Frühnebelausblicken erfreut:


Wenn ich nicht mit einem Ziel und einem Ankunftszeitpunkt unterwegs gewesen wäre, hätte ich noch Hunderte weiterer Fotos von diesem morgendlichen Nebel aufnehmen können.

Eine Freundin hatte mir schon vor zwei Wochen gesagt, wie sehr sie bewunderte, dass ich diesen Markttag mit soviel Planung und Organisation anging. Ich muss zugeben, ich habe mich da über mich selbst auch ein bisschen gewundert. Rechtzeitig im Jahr den Kalender rausgezogen, und überlegt, wann welche Stoffe fertig gefärbt sein mussten – schließlich war ja auch vor zwei Wochen noch die März-Kollektion des Stoff-Abos verschickt worden! Und mich dann auch wirklich auch ganz gut an diese Übersichtsplanung gehalten. Wer hätte das von mir gedacht... Aber vermutlich lag es auch mit daran, dass ich am kommenden Freitag für fast drei Wochen in die USA reisen werde, und außerdem noch für Donnerstag dieser Woche eigentlich einen ganztätigigen Computerkurs in einer anderen Stadt gebucht hatte, also eigentlich zwei Tage weg gewesen wäre. (Der Kurs wurde heute, zu meiner großen Erleichterung, wegen mangelnder Teilnehmerzahl abgesagt...) Früher ging das immer gut, eng getaktet, viele Sachen hintereinander wegarbeiten, und trotzdem einigermaßen entspannt durchs Leben gehen. Diesmal habe ich allerdings gemerkt, dass das mit zunehmendem Alter nicht mehr so einfach ist!
Das mit dem Markt hatte ich aber tatsächlich einigermaßen gut hingekriegt. Die Stoffe waren ja schon vor einiger Zeit fertig gefärbt, aufgewickelt, und in ihren Transportkisten verstaut, die praktischerweise auch die Präsentationskisten waren. Insofern war der Aufbau des Standes einfach. Da ich schon früher mal, als ich noch die Regionalvertreterin der Patchworkgilde Deutschland e.V. war, mit einem Stand der Gild auf diesem Markt vertreten war, wusste ich auch einigermaßen über die Räumlichkeiten und die zur Verfügung gestellten Wände und das Aufhängesystem Bescheid und konnte in der Hinsicht gelassen den Dingen entgegengehen.

So sah ‚mein’ Stand vor dem Aufbau aus:



Und so knapp zwei Stunden später, als ich dekoriert und alle Kisten aufgestellt hatte:


Es war ein langer Tag, und abends war ich völlig k.o., bin um kurz vor neun ins Bett gefallen. Mit dem Ergebnis bin ich einigermaßen zufrieden. Es hätte natürlich noch ein wenig mehr verkauft werden können, aber ich war ja zum ersten Mal mit den Stoffen dort. Immerhin haben viele Leute sich die Stoffe angesehen, und von den Schneefärbungen sind tatsächlich einige weggegangen. Vielleicht muss man sich bei solchen Gelegenheiten auch erst ein gewisses Klientel heranziehen. Und ich bin der Meinung, dass es genau richtig war, solch eine breitgefächerte Farbpalette im Angebot zu haben. Die noch übrigen Meter werde ich jetzt eben auch über die Webseite anbieten.
Jedenfalls werde ich im September noch einen weiteren Versuch starten, wenn ich wieder einen Standplatz bekommen kann.