Mittwoch, 24. Oktober 2018

Wer sind sie - Ergebnisse meiner Arbeit der letzten Jahre

In den letzten Jahren habe ich immer wieder etwas über mein Engagement in der Flüchtlingsarbeit und die Erfolge und Frustrationen im Bemühen, hier gelandeten Geflüchteten Arbeitserlaubnisse zu beschaffen oder ihnen Perspektiven zu eröffnen, berichtet.
Vielleicht hat das manchmal sehr verzweifelt geklungen, und letztendlich ist das auch das bleibende Gefühl. Man kann sich noch so intensiv und wohlmeinend einsetzen, wenn etwas "politisch nicht gewollt" ist, dann rennt man sich den Kopf an harten Wänden ein.
Um so schöner ist es, wenn dann mal positive Berichte über die geleistete Arbeit erscheinen. So auch hier, 'Flüchtlinge in der Pflege'. Dieser Beitrag wurde erst vor kurzem gedreht, als ich mich bereits aus der Arbeit in der Flüchtlingsklasse zurückgezogen hatte. (Es gibt dieses Schuljahr zum dritten Mal eine Klasse, die für ein Jahr auf die Ausbildung zum Pflegefachhelfer vorbereitet wird.) Deshalb komme ich auch nicht darin vor.
Aber alle Gezeigten sind Menschen, mit denen ich in den letzten Jahren eng zusammen gearbeitet habe. (Man muss sich nur durch die Werbungen quälen... und die teilweise dummen oder polemisierenden Kommentare lässt man besser aus.) Aniko Reintke ist die Klassenleiterin der Klassen - sie hat mich vor 2 1/2 Jahren aufgefordert, mich für diese Honorartätigkeit als Deutschlehrerin zu bewerben, und wer ihr zuhört, versteht vielleicht, dass wir gut zusammengearbeitet haben. Faisal, Bakary, Masoud und Mariama sind ehemalige Schüler von mir und haben mein Leben bereichert. Alle werden hier gebraucht. Aber keiner von ihnen weiß, wie es weitergeht. Es gehört schon sehr sehr viel Kraft und Ausdauer dazu, darüber nicht zu verzweifeln.

Diese Kraft hole ich mir dann immer wieder durch Quilten. Zum Beispiel habe ich an Mariama gedacht, als ich letztes Jahr diesen kleinen Quilt gemacht habe.

African Migrant Birds Dream Formation
Sie ist das einzelne 'Dreieck' unten links. Ich hoffe, immer noch, dass sie doch irgendwann einmal richtig in Deutschland 'ankommen' darf.

Sonntag, 14. Oktober 2018

Slow Stitch – und: Wo ist eigentlich meine Nähmaschine?


In der Textil- und Kreativ-Welt gibt es ja eine starke Bewegung, die das sogenannte ‚slow stitch‘ favorisiert. Langsames, von Hand arbeiten, einerseits mit vielen Stickstichen auf Quilts, andererseits das bewusste Arbeiten von Hand. Das ‚English Paper Piecing‘ erlebt eine Renaissance, ‚visible mending‘ ist ein stark frequentierter Hashtag auf Instagram und zahlreiche Künstlerinnen fertigen wundervolle Arbeiten mit intensivster Handarbeit, eine meiner Favoritinnen ist hier Judy Martin,  deren Blog und Homepage mir immer wieder Anregung und Inspiration ist, und auch ihre Posts auf Instagram unter judithemartin sind eine regelmäßige Freude.
Die beruhigend-therapeutische Wirkung von direkter Handarbeit ist auch für mich ein wichtiges Element und sicher einer der Gründe, warum ich gerne spinne und wieder vermehrt stricke, warum auch ich wieder zu Resteprojekten in Paper Piecing Technik gekommen bin, und warum ich ursprünglich sehr gerne von Hand gequiltet habe. Mit Nadel und Faden zu arbeiten, auch ohne Maschinengeräusch hat etwas, das eine von den Wirren der Weltläufte ausklinkt, einen Bodenhaftung herstellenden Sog entwickelt und manchmal auch manches vergessen lässt.
Heute, am Tag der Wahl in Bayern habe ich eine ganze Zeit lang nur auf der Terrasse gesessen und weiter an meinem Flüchtlingsquilt gearbeitet, der jetzt am Schluss auch noch einige Stiche von Hand verlangt. 

text messages 19 - Detail

Eigentlich wollte ich ihn an diesem Wochenende fertig bekommen. Das hat noch nicht geklappt. Denn letzte Woche hat meine Arbeit daran einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Ich wollte mit dem Heftfuß meiner kleinen, alten Bernina einen besonderen Effekt hinzufügen, diesen Fuß habe ich für die neue große Maschine nicht. (Soweit ich gesehen habe, gibt es ihn nicht mal als Zubehör, das noch gekauft werden könnte.) Also ging ich in den Flur, in dem die Maschine zwischen Workshops, zu denen sie in der Regel mitgenommen wird, steht. Da war sie nicht. Im anderen Flur, wo sie auch schon mal eine Weile stand, war sie auch nicht. Nicht in meinem Arbeitszimmer. Nicht unter dem Flügel (Vorschlag meines Mannes), nicht im Keller, nicht in der kleinen Nebenwohnung im Haus, in der manchmal ‚Lagergegenstände‘ landen. Dreimal bin ich mindestens mit wachsender Panik durchs Haus gegangen, keine Nähmaschine. Ich konnte mich nicht erinnern, sie weggegeben zu haben, oder gar verliehen. Da von einer Seite aus manchmal Publikumsverkehr im Haus ist, hatte ich einen bösen Verdacht, dass sie vielleicht entwendet worden sein könnte, denn ein wunderschöner großer Wäschekorb ist auf die Art schon mal verschwunden und nie wieder aufgetaucht.
Alles dies natürlich spät abends – ich musste bis zum nächsten Tag warten, um beim Nähmaschinenhändler anzurufen, ob sie vielleicht bei ihm stünde, aber wie gesagt: ich hatte keinerlei Erinnerung daran, sie abgegeben zu haben… Dort fand sie sich dann tatsächlich an, ich muss sie wohl abgegeben haben, als ich die Nähmaschine für Afrika abholte - aber nun ich mache mir Sorgen über mein Erinnerungsvermögen, wenn ich nicht mal mehr weiß, wo meine Nähmaschine ist. Sie war jedenfalls nocht nicht repariert, weil ich wohl gesagt hatte, es eile nicht, und so konnte ich sie nicht einmal Freitag nachmittag kurz vor Ladenschluss noch abholen. Ob sie gleich am Wochenanfang durchgesehen wird, konnte mir niemand sagen, und jetzt heißt es entweder warten, oder auf diesen Effekt verzichten.
Jedenfalls saß ich auf der Terrasse in 

der ehemalige Sandkasten

und mit einer besonderen Sonne, 

teilweise eigene Äpfel vom neuen, kleinen Apfelbaum

stichelte geruhsam vor mich hin und wartete auf das Ende des Tages und die ersten Hochrechnungen nach der Wahl. Das Geblubber der Politiker, die jetzt alle die totale Analyse suchen und versprechen und die gräßlichen Journalistenfragen, die schon jetzt Aussagen über Konsequenzen aus den Interviewpartnern herausdrücken wollen, erspare ich mir allerdings. Ich bin nur froh, dass dieser Tag, so schön er wetter- und arbeitsmäßig an sich auch war, erst einmal vorbei ist. Das Ergebnis ist nicht ganz so schlimm, wie ich es befürchtet hatte, aber schlimm genug, und es bleibt abzuwarten, wie sich die Koalitionsverhandlungen gestalten werden. Da kann man einfach nur weiter sticheln, Tee trinken und hoffen, dass sich doch irgendetwas vielleicht sogar zum Besseren ändern wird.  

Dienstag, 9. Oktober 2018

Wie geht es weiter.

Am 3. Oktober, Feiertag, wollte ich eigentlich nach München fahren, um an der Demonstration teilzunehmen. Aber ich hatte schon mehrere Tage mit einem sehr unerfreulichen Schnupfen zu tun, der meinen Kopf ziemlich lahmgelegt hatte, und auf heftiges Zuraten von verschiedenen Seiten habe ich mich dann davon abbringen lassen. Mehrere der Flüchtlinge meinten, es wäre wichtiger, dass ich meine Gesundheit wieder herstelle, als dass ich im Demonstrationszug mitmarschiere.
Statt der politischen Präsenz auf der Straße habe ich zwei sehr gute Radiosendungen gehört, die ich hier gerne weiterempfohlen hätte, aber ich habe gerade nicht die Geduld, die Links zu podcasts oder audiotheken oder ähnlichen Möglichkeiten, etwas im Nachhinein zu hören, herauszusuchen. Das eine war eine sehr interessante Sendung im Deutschlandfunkt, später Vormittag, über das Entstehen der neuen extremen rechten Parteien, und das andere eine Sendung über 'Heimat' als Begriff und deutsches Konzept. Auch diese Sendung, abends, glaube ich, im Deutschlandfunkt, oder auf Bayern 2. Durchaus zum Nachhören empfohlen, aber wie gesagt, die Links...

Den Tag habe ich dann genutzt, um den Quilt für "Forced to Flee" weiter zu bringen. Der Einsendeschluss ist Ende des Monats, und allmählich nimmt alles Formen an.
Natürlich dauert alles länger, als ich mir das vorgestellt hatte. Aber immer wieder stelle ich fest, dass es die Zeit braucht. Kleine Ideen, wie etwas gestaltet werden kann, schleichen sich unmerklich ein, aber es ist notwendig, dass zwischendurch kleine kreative Pausen entstehen.
Wiederkehrende Panikattacken, dass ich es vielleicht nicht schaffen könnte, werden dann abgelöst von Erleichterung, dass diese kleinen Fortschritte wirklich gute Ergänzungen sind. Mir gefällt, was entsteht, und nur selten habe ich so ein gutes Gefühl dabei gehabt, während ich einen Quilt hergestellt habe. Da eine Jury entscheiden wird über die Aufnahme in der Auswahl, und ich vermute, dass es viele Einsendungen geben wird, zeige ich hier jetzt keine Fotos.
Ich nehme nur immer mal wieder die Nadel in die Hand (sprichwörtlich - tatsächlich das Top an die Maschine) umd mich über Verzweiflungsmomente hinweg zu beamen. Jetzt steht diese unsägliche bayerischen Wahl bevor, und wer weiß, was danach wird. Die Koalition hat sich auf einen Entwurf für ein 'Fachkräftezuwanderungsgesetz' geeinigt, und im Entwurf ist schon wieder angelegt, dass Bayern seine Ausgrenzungspolitik weiter fortsetzen wird. Es heißt, diejenigen, die Arbeit und Wohnung haben und sich selbst unterhalten können, sollen eine Chance auf längeren Aufenthalt haben. Das fühlt sich an wie Schläge ins Gesicht aller Helfer, die in den vergangenen Jahren darum gekämpft haben, dass sich in Bayern etwas tut. Denn Bayern hat die Arbeitsverbote in einem solchen Umfang verteilt, dass praktisch keine Geduldeten - und seien sie noch so gut integriert und sprachgewandt und interessiert und und und - eine Arbeit haben. Es braucht keine große Vorstellungskraft, um sich auszumalen, wie es hier weitergehen wird. Denn die arbeiten ja alle nicht - also steht zu befürchten, dass sie von diesem Passus der erleichterten Aufenthaltsgenehmigung nicht werden profitieren können.
Es fällt schwer, zuversichtlich zu sein, im Moment.