Sonntag, 14. Oktober 2018

Slow Stitch – und: Wo ist eigentlich meine Nähmaschine?


In der Textil- und Kreativ-Welt gibt es ja eine starke Bewegung, die das sogenannte ‚slow stitch‘ favorisiert. Langsames, von Hand arbeiten, einerseits mit vielen Stickstichen auf Quilts, andererseits das bewusste Arbeiten von Hand. Das ‚English Paper Piecing‘ erlebt eine Renaissance, ‚visible mending‘ ist ein stark frequentierter Hashtag auf Instagram und zahlreiche Künstlerinnen fertigen wundervolle Arbeiten mit intensivster Handarbeit, eine meiner Favoritinnen ist hier Judy Martin,  deren Blog und Homepage mir immer wieder Anregung und Inspiration ist, und auch ihre Posts auf Instagram unter judithemartin sind eine regelmäßige Freude.
Die beruhigend-therapeutische Wirkung von direkter Handarbeit ist auch für mich ein wichtiges Element und sicher einer der Gründe, warum ich gerne spinne und wieder vermehrt stricke, warum auch ich wieder zu Resteprojekten in Paper Piecing Technik gekommen bin, und warum ich ursprünglich sehr gerne von Hand gequiltet habe. Mit Nadel und Faden zu arbeiten, auch ohne Maschinengeräusch hat etwas, das eine von den Wirren der Weltläufte ausklinkt, einen Bodenhaftung herstellenden Sog entwickelt und manchmal auch manches vergessen lässt.
Heute, am Tag der Wahl in Bayern habe ich eine ganze Zeit lang nur auf der Terrasse gesessen und weiter an meinem Flüchtlingsquilt gearbeitet, der jetzt am Schluss auch noch einige Stiche von Hand verlangt. 

text messages 19 - Detail

Eigentlich wollte ich ihn an diesem Wochenende fertig bekommen. Das hat noch nicht geklappt. Denn letzte Woche hat meine Arbeit daran einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Ich wollte mit dem Heftfuß meiner kleinen, alten Bernina einen besonderen Effekt hinzufügen, diesen Fuß habe ich für die neue große Maschine nicht. (Soweit ich gesehen habe, gibt es ihn nicht mal als Zubehör, das noch gekauft werden könnte.) Also ging ich in den Flur, in dem die Maschine zwischen Workshops, zu denen sie in der Regel mitgenommen wird, steht. Da war sie nicht. Im anderen Flur, wo sie auch schon mal eine Weile stand, war sie auch nicht. Nicht in meinem Arbeitszimmer. Nicht unter dem Flügel (Vorschlag meines Mannes), nicht im Keller, nicht in der kleinen Nebenwohnung im Haus, in der manchmal ‚Lagergegenstände‘ landen. Dreimal bin ich mindestens mit wachsender Panik durchs Haus gegangen, keine Nähmaschine. Ich konnte mich nicht erinnern, sie weggegeben zu haben, oder gar verliehen. Da von einer Seite aus manchmal Publikumsverkehr im Haus ist, hatte ich einen bösen Verdacht, dass sie vielleicht entwendet worden sein könnte, denn ein wunderschöner großer Wäschekorb ist auf die Art schon mal verschwunden und nie wieder aufgetaucht.
Alles dies natürlich spät abends – ich musste bis zum nächsten Tag warten, um beim Nähmaschinenhändler anzurufen, ob sie vielleicht bei ihm stünde, aber wie gesagt: ich hatte keinerlei Erinnerung daran, sie abgegeben zu haben… Dort fand sie sich dann tatsächlich an, ich muss sie wohl abgegeben haben, als ich die Nähmaschine für Afrika abholte - aber nun ich mache mir Sorgen über mein Erinnerungsvermögen, wenn ich nicht mal mehr weiß, wo meine Nähmaschine ist. Sie war jedenfalls nocht nicht repariert, weil ich wohl gesagt hatte, es eile nicht, und so konnte ich sie nicht einmal Freitag nachmittag kurz vor Ladenschluss noch abholen. Ob sie gleich am Wochenanfang durchgesehen wird, konnte mir niemand sagen, und jetzt heißt es entweder warten, oder auf diesen Effekt verzichten.
Jedenfalls saß ich auf der Terrasse in 

der ehemalige Sandkasten

und mit einer besonderen Sonne, 

teilweise eigene Äpfel vom neuen, kleinen Apfelbaum

stichelte geruhsam vor mich hin und wartete auf das Ende des Tages und die ersten Hochrechnungen nach der Wahl. Das Geblubber der Politiker, die jetzt alle die totale Analyse suchen und versprechen und die gräßlichen Journalistenfragen, die schon jetzt Aussagen über Konsequenzen aus den Interviewpartnern herausdrücken wollen, erspare ich mir allerdings. Ich bin nur froh, dass dieser Tag, so schön er wetter- und arbeitsmäßig an sich auch war, erst einmal vorbei ist. Das Ergebnis ist nicht ganz so schlimm, wie ich es befürchtet hatte, aber schlimm genug, und es bleibt abzuwarten, wie sich die Koalitionsverhandlungen gestalten werden. Da kann man einfach nur weiter sticheln, Tee trinken und hoffen, dass sich doch irgendetwas vielleicht sogar zum Besseren ändern wird.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen