Als Mutter eines fußballbegeisterten Sohnes steht man
besonderen Herausforderungen gegenüber. Nicht nur habe ich in den vergangenen
Jahren wesentlich mehr über Fußball gehört und erfahren, als ich jemals wissen
wollte, auch die Zahl der bereits angeschauten Spiele – ob live oder im
Fernsehen – übersteigt bei weitem das, was ich mir vor seiner Geburt annähernd
klargemacht hatte. Eine heraufziehende WM allerdings steigert die Intensität
des Erlebnisses noch deutlich.
Am Wochenende spielt die Mannschaft meines Sohnes bei einer
sogenannten „Mini-WM“ mit, und zwar als Inpersonation der Mannschaft von
Honduras. Seitdem mein Sohn das weiß, und auch, dass er ein „Original“-Trikot
bekommen wird, befindet er sich im Honduras-Fieber. Die ursprünglich erste
Frage „Wo ist Honduras?“ gehört längst der Vergangenheit an, er kennt alle
Nationalspieler mit Namen, deren Club-Zugehörigkeit ist ebenfalls kein
Geheimnis, und alle werden eingespannt. Gestern kam er auf die Idee, dass er
eine Honduras-Fahne bräuchte, mit der die Fans am Spielfeld stehen und der
Mannschaft zujubeln könnten.
Also musste ich ran. Eine mentale Stütze für das Design der
Fahne konnte er mir natürlich liefern. Mit Sammelkärtchen verschiedenster
Serien und Herkunft wird man beim Einkaufen in diversen Supermarkt-Ketten schon seit
längerem überschüttet, und er sammelt sie alle:
Zufälligerweise – aber gibt es wirklich Zufälle? – war mir
am Morgen aus einer meiner Stoffkisten ein längeres Stück handgefärbter Stoff
in genau dem Honduras-Blau in die Hände gefallen, bei dem ich mich schon
gewundert hatte, warum es nicht in den Verkaufs-Kisten gelandet war, und das
ich eigentlich hatte aufwickeln und einpacken wollen. Ein bisschen Weiß dazu,
und dann wurde er miteingespannt, um die Sterne auszuschneiden. Ein Fahnenstock
fand sich auch noch im Keller, und jetzt ist er schon weitgehend für das morgen
beginnende Turnier gerüstet. Mama kann Fahne nähen, wenn benötigt – wenn das
keinen Pluspunkt im Gesamtlebenskonto für mich bedeutet...
Die Aufregung steigt stündlich, und man könnte meinen, er
spielt morgen wirklich in der WM. Zwar hat er mitbekommen, dass es Leute gibt,
die wegen wiederholter Geschwindigkeitsvergehen ihren Führerschein abgeben
mussten. Die Pikanterie, dass ebendiese Person ein paar Tage vorher einen
Nationalspieler öffentlich moralingeschwängert gerügt hat, weil der in stockbetrunkenem
Zustand seinem Harndrang an unpassender Stelle nachgab, ist ihm, glaube ich,
aber noch nicht so ganz klargeworden. (Wenn doch wenigstens etwas darüber
gesagt worden wäre, dass Sportstars Vorbildfunktion in der Hinsicht ausüben
könnten, dass zum Beispiel nicht bis zur Besinnungslosigkeit gesoffen werden
muss, um einen Sieg oder eine Niederlage oder auch einen Saisonabschluss zu
feiern... Aber wir haben ja auch ehrenwerte und spendenfreudige Steuersünder in
diesem Geschäft, unter besonderem Schutz von Ministerpräsidenten, die zufällig
zu ach so armen Erpressungsopfern werden, und dadurch vielleicht durchdrücken
können, in ein anderes Gefängnis verlegt zu werden.)
Die nächsten Wochen werden hart für mich – aber die
Begeisterung, mit der mein Sohn alles verfolgt, ist auch wieder rührend. Das
Endspiel schaue ich mir vermutlich auch an – insbesondere, wenn Deutschland
schon in der Gruppenphase ausgeschieden sein sollte. Was ich mit meinem
mangelnden Fußballverstand ja fast vermute. Und vielleicht kommt ja Honduras ins Endspiel. Die richtige Fahne für die Fan-Meile hätten wir dann wenigstens schon .