Freitag, 30. Mai 2014

Honduras-Fieber

Als Mutter eines fußballbegeisterten Sohnes steht man besonderen Herausforderungen gegenüber. Nicht nur habe ich in den vergangenen Jahren wesentlich mehr über Fußball gehört und erfahren, als ich jemals wissen wollte, auch die Zahl der bereits angeschauten Spiele – ob live oder im Fernsehen – übersteigt bei weitem das, was ich mir vor seiner Geburt annähernd klargemacht hatte. Eine heraufziehende WM allerdings steigert die Intensität des Erlebnisses noch deutlich.
Am Wochenende spielt die Mannschaft meines Sohnes bei einer sogenannten „Mini-WM“ mit, und zwar als Inpersonation der Mannschaft von Honduras. Seitdem mein Sohn das weiß, und auch, dass er ein „Original“-Trikot bekommen wird, befindet er sich im Honduras-Fieber. Die ursprünglich erste Frage „Wo ist Honduras?“ gehört längst der Vergangenheit an, er kennt alle Nationalspieler mit Namen, deren Club-Zugehörigkeit ist ebenfalls kein Geheimnis, und alle werden eingespannt. Gestern kam er auf die Idee, dass er eine Honduras-Fahne bräuchte, mit der die Fans am Spielfeld stehen und der Mannschaft zujubeln könnten.
Also musste ich ran. Eine mentale Stütze für das Design der Fahne konnte er mir natürlich liefern. Mit Sammelkärtchen verschiedenster Serien und Herkunft wird man beim Einkaufen in diversen Supermarkt-Ketten schon seit längerem überschüttet, und er sammelt sie alle:


Zufälligerweise – aber gibt es wirklich Zufälle? – war mir am Morgen aus einer meiner Stoffkisten ein längeres Stück handgefärbter Stoff in genau dem Honduras-Blau in die Hände gefallen, bei dem ich mich schon gewundert hatte, warum es nicht in den Verkaufs-Kisten gelandet war, und das ich eigentlich hatte aufwickeln und einpacken wollen. Ein bisschen Weiß dazu, und dann wurde er miteingespannt, um die Sterne auszuschneiden. Ein Fahnenstock fand sich auch noch im Keller, und jetzt ist er schon weitgehend für das morgen beginnende Turnier gerüstet. Mama kann Fahne nähen, wenn benötigt – wenn das keinen Pluspunkt im Gesamtlebenskonto für mich bedeutet...


Die Aufregung steigt stündlich, und man könnte meinen, er spielt morgen wirklich in der WM. Zwar hat er mitbekommen, dass es Leute gibt, die wegen wiederholter Geschwindigkeitsvergehen ihren Führerschein abgeben mussten. Die Pikanterie, dass ebendiese Person ein paar Tage vorher einen Nationalspieler öffentlich moralingeschwängert gerügt hat, weil der in stockbetrunkenem Zustand seinem Harndrang an unpassender Stelle nachgab, ist ihm, glaube ich, aber noch nicht so ganz klargeworden. (Wenn doch wenigstens etwas darüber gesagt worden wäre, dass Sportstars Vorbildfunktion in der Hinsicht ausüben könnten, dass zum Beispiel nicht bis zur Besinnungslosigkeit gesoffen werden muss, um einen Sieg oder eine Niederlage oder auch einen Saisonabschluss zu feiern... Aber wir haben ja auch ehrenwerte und spendenfreudige Steuersünder in diesem Geschäft, unter besonderem Schutz von Ministerpräsidenten, die zufällig zu ach so armen Erpressungsopfern werden, und dadurch vielleicht durchdrücken können, in ein anderes Gefängnis verlegt zu werden.)

Die nächsten Wochen werden hart für mich – aber die Begeisterung, mit der mein Sohn alles verfolgt, ist auch wieder rührend. Das Endspiel schaue ich mir vermutlich auch an – insbesondere, wenn Deutschland schon in der Gruppenphase ausgeschieden sein sollte. Was ich mit meinem mangelnden Fußballverstand ja fast vermute. Und vielleicht kommt ja Honduras ins Endspiel. Die richtige Fahne für die Fan-Meile hätten wir dann wenigstens schon .

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