Freitag, 30. Dezember 2016

3 Besuchsbäume auf einen Streich: Eiche, Linde, Weide

Meinen Spaziergang am 2. Weihnachtsfeiertag musste ich alleine machen, weil mein Mann nach einer Knie-OP noch nicht wieder wirklich gut zu Fuß ist. Aber ich habe die Chance genutzt, um meine Überlegungen, doch mal wieder ein Baumprojekt zu starten, auf eine feste Grundlage zu legen.

Seitdem ich meine verschärften Bemühungen, den Plastikverbrauch unserer Familie zu senken, durchführe, hole ich die Milch für unsere Joghurtmengen beim nahegelegenen Bauern mit einer Milchtankstelle. Da komme ich mit dem Fahrrad gut hin, und wenn ich Lust habe, ist auch ein nicht wirklich großer Spaziergan daraus zu machen. Und da komme ich dann an einem großen Baum vorbei, der zwar nicht alle meine Wunschkriterien erfüllt, die die ursprünglich fotografierte Eiche hatte, und die meine inneren Standards auch sehr hoch gesetzt haben:
  • von mehreren Seiten fotografierbar, 
  • so dass möglichst wenig menschliche/zivilisatorische Eingriffe auf dem Foto auftauchen
  • und dass interessante Lichteinfälle zu erwarten sind.
Die schnelle Erreichbarkeit zu Fuß, die bei der Eiche und der Linde ein Kriterium waren, um den möglichst täglichen Gang dahin (oder, wie bei der Eiche, manchmal sogar mehrmals am Tag) einfach in den Tagesablauf einbauen zu können, ist hier nicht so ganz gegeben, aber sehr viel weiter weg als die Eiche ist dieser Baum nun auch wieder nicht entfernt.

Anfang 2016, die Annäherung ...

und Suche nach guten Perspektiven...

einmal rund herum...

und von wo aus sieht er jetzt am schönsten aus?



Tatsächlich hatte ich diesen Baum sogar schon nach Abschluss des Lindenprojektes in Erwägung gezogen, aber damals habe ich dort noch nicht Milch getankt, und er war mir einfach ein bisschen zu weit weg. In dieser Hinsicht habe ich auch die Regeln für die Fotofrequenz geändert: ich mache Fotos, wenn ich Milch hole. Oder beim Spaziergang oder beim Walken dort vorbeikomme. Das wird schon ein- bis zweimal pro Woche der Fall sein.

Der Bauer, den ich gefragt habe, sagt, es sei eine Weide, was mich erstaunt hat, weil ich nicht geahnt habe, dass es so große Weiden gibt. Der Baum steht auch direkt neben einem kleinen Entwässerungsgraben, die Wasseraffinität von Weiden ist ja bekannt. Allerdings meinte der Bauer, er wüsste nicht, ob er tatsächlich dieses Jahr nochmal ausschlagen würde, in letzter Zeit hätte der Biber dort heftig gewütet. Dafür habe ich keine Anzeichen gesehen, als ich direkt am Baum vorbeigegangen bin und nicht nur vom Zufahrtsweg her das Foto gemacht habe, aber der Bauer wird schon wissen, was auf seinem Grund und Boden in der Hinsicht alles los ist. Vielleicht wird es also die Dokumentation eines durch Biberattacke sterbenden Baumes, wer weiß.

Meinen Weihnachtsspaziergang habe ich also in der großen Runde angelegt. Erst ging es an der Linde vorbei, die ich nach meinem Abschied, den ich von ihr genommen habe, als die bevorstehende Kappung angekündigt wurde, nicht wieder besucht hatte. Sie sieht jetzt wirklich jämmerlich aus, zurechtgestutzt bis auf den letzten Torso.

die erste Perspektive, aus der ich immer fotografiert hatte

die zweite Perspektive, aus der ich immer fotografiert hatte

Das war eher ernüchternd. Dann bin ich weiter gegangen, eine große Runde, und habe den neuen Baum besucht - bis heute habe ich mich allerdings noch nicht endgültig für feste Perspektiven entschieden. Vielleicht lasse ich es offen, je nachdem, auf welche Art ich hinkomme. Per Fahrrad oder zu Fuß, da bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten. Deshalb habe ich vom 26.12. noch keine Fotos vom neuen Baum, sondern erst noch weiter überlegt. Zum Abschluss meines Spazierganges kam ich dann an der Eiche vorbei, die immer noch solide und schön dasteht, obwohl die Autos meist achtlos an ihr vorbeirauschen, was man aber auf den Fotos glücklicherweise nicht sieht:



Von der Weide habe ich aber in den letzten Tagen dann noch Fotos gemacht.



Das Projekt hat also eigentlich schon angefangen. Auf zur Weide.

Sonntag, 25. Dezember 2016

Gesperrt…



Nachdem ich es neulich endlich geschafft, getan hatte, dass ich hier auf dem Blog auf meine facebook-Identität hingewiesen habe, hat mir der große Drache jetzt das Konto gesperrt, weil ihnen mein verwendeter Name nicht gefällt. Das sei offensichtlich nicht mein eigener, im wirklichen Leben verwendeter. 
Ich komme z.Zt. an nichts ran, warte jetzt auf eine Mail und hoffe, dass ich es noch irgendwie wieder hinkriege, meine Seite als Justquilts Justcolours weiterzuführen. Das sind natürlich jetzt gerade völlig überflüssige Suchaktionen und Aktivitäten, die viel zu viel Zeit kosten. Weihnachten ist bei uns immer stressig, mein Mann arbeitet jeden Tag, entspannt ist das nicht, und dann noch so etwas nebenbei… Außerdem eine drohende Abschiebung aus der Flüchtlingsklasse, die für die Weihnachtsstimmung nicht gerade förderlich ist…

Aber hin und wieder gelingt es mir, ein Weilchen an der Nähmaschine zu sitzen und an dem Quilt zu arbeiten, den ich als Jurorin der kommenden T bis M der Patchworkgilde hängen darf bzw. will. Glücklicherweise muss ich nicht den Abgabetermin einhalten. Aber da ich etwas Neues zeigen wollte, muss ich mich schon ranhalten, damit er wirklich bald fertig ist. Wenigstens habe ich es geschafft, meine Maschine so zu verstehen, dass ich weiß, wie sie behandelt werden möchte, damit sie tut, was ich will. (Das Bild von der in ein Schutznetz eingewickelten Spule hatte ich ja schon mal gezeigt.) Jetzt verstehen wir uns sehr gut und es läuft wie am Schnürchen, nur sind es eben viele Stiche, die getan werden müssen.


Da bleiben dann auch die Blog-Weihnachtsgrüße auf der Strecke, und jetzt ist es ja eigentlich zu spät. Nächstes Jahr wieder!

Donnerstag, 15. Dezember 2016

Strickmarathon der Sockenbrigade



Einmal im Monat findet bei uns in der Gemeinde ein Offener Stricktreff statt, bei dem man gesellig Handarbeiten kann. Schon im vergangenen Jahr haben einige der Teilnehmerinnen und ich gemeinsam 10 Paar Socken für die Gruppe der unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge gestrickt, die bei uns in der Stadt in einer Unterkunft untergebracht sind. Scherzhaft haben wir uns die Sockenbrigade genannt. Damals haben wir es einigermaßen gleichmäßig verteilt, fast jede hat mindestens zwei Paar Socken gestrickt, ich hatte drei Paar gestrickt.
Anfang dieses Jahres, also kurz nach dem letzten Weihnachtsfest, hatte ich beschlossen, dass ich das wieder machen möchte. Es war aber abzusehen, dass nicht mehr alle mitmachen würden, die auch letztes Jahr gestrickt haben. Die Brigade ist deutlich geschrumpft. Und so blieb das Ganze dann an Marion und mir hängen. Ich habe das Jahr über also über 10 Paar Socken gestrickt, Marion hat auch ein Paar versprochen, die jetzt nächste Woche übergeben werden sollen. Neulich haben wir eine Sammelaufnahme gemacht:

(Ganz ehrlich: nur das unfertige Paar ganz rechts unten ist noch für die
Jugendlichen, die anderen unfertigen Paare sind schon für andere Empf
änger gedacht. Aber so sah es doch eindrücklicher aus!)

Von meinen über 10 Paar sind zwischendurch schon mal welche an jemand anderen gegangen, und es sind jetzt auch zwei Jugendliche weniger in der Unterkunft, wir werden also keine Schwierigkeiten haben, alle mit einem Paar Socken zu bescheren. Ich stricke wirklich gerne Socken, es macht auch immer noch Spaß - aber jetzt bin ich doch froh, dass das nächste Paar entweder für mich oder für einen meiner Familienangehörigen ist. Die Füße meines Sohnes sind im letzten Jahr auch rasant größer geworden, inzwischen trägt er mindestens eine Schuhgröße größer als ich, braucht also dringend Nachschub.
Und andere Sachen möchte man ja auch ganz gerne mal wieder stricken…

In den letzten Tagen habe ich weiter an dem nächsten Quilt der Serie text messages gearbeitet.
Nur gut, dass es Hörbücher und hin und wieder auch gute Radioprogramme gibt!

Montag, 12. Dezember 2016

Zwischen November-Kollektion und Leitkultur

Heute hat Leah Higgins auf ihrem Blog gefragt, wo denn die Woche geblieben sei. Und das gleiche könnte ich auch fragen. Ohne eine Antwort zu wissen.
Vergangenen Montag habe ich die November Kollektion des Stoff-Abos zur Post gebracht - aber erst heute bin ich dazu gekommen, tatsächlich ein Foto davon zu machen. Und auf die Homepage hochladen werde ich das sicherlich erst morgen... und frühestens nachmittags.


Nur soviel hier: es wird einige Einzelpackungen geben. Die müssen allerdings erst noch geschnitten werden...
Dienstag morgens unterrichten, und  nachmittags war ich in München, um die Ausstellung der International Threads abzuhängen. Das geht ja immer schneller als das Aufhängen, und wenn man dann 'danach' mit einer vollständig eingepackten Ausstellung vor dem Ausstellungslokal steht, kommt ein wehmütiges Gefühl auf.


Vielen Dank an Christine Köhne von Quilt et Textilkunst für die schöne Gelegenheit, in München auszustellen!

Mittwoch nur Unterricht und der Alltagswahnsinn zu Hause, und Donnerstag die zweite Tour nach München. Diesmal mit der Flüchtlingsklasse, zur Debatte des neuen bayerischen Integrationsgesetzes im Landtag. Da haben die Reporter schon etwas erstaunt geguckt, als wir mit 23 Leuten im Foyer des Sitzungssaales auftauchten. In den abendlichen Nachrichten allerdings wurden wir, obwohl wir mehrfach ins Visier der Kameras genommen worden waren, nicht gezeigt. Seitdem mache ich mir verschärft Gedanken über dieses unsägliche Wort 'Leitkultur', das als Zielgröße im Gesetz festgeschrieben, aber nirgendwo definiert wird. Wer bestimmt, was Leitkultur ist oder sein darf? Ist es überhaupt erstrebenswert, so etwas zu haben? Heißt es nicht in unserer Nationalhymne "Einigkeit und Recht und Freiheit" - soll das bedeuten, dass Einigkeit eine Art Gleichmacherei ist, und die Freiheit nur die ist, sich an diese einheitliche 'Kultur' (von der wir ja, wie gesagt, eigentlich gar nicht wissen, was sie darstellt) anzupassen? Kann man von ausländischen Menschen, die sich in Deutschland aufhalten, ernsthaft verlangen, dass sie sich an der deutschen Leitkultur orientieren müssen? Wichtiger noch: was passiert mit den Deutschen, die sich nicht an der deutschen Leitkultur orientieren mögen? Gegebenenfalls ich würde den Test bezüglich meiner Tauglichkeit für die bayerische Leitkultur nicht bestehen, was würde dann mit mir passieren? Baden-Württemberg ist bestimmt ein sicheres Herkunftsland, kann man mich dann dahin abschieben? (Glücklicherweise bin ich ja im Kirchenasyl, also wohl keine ernsthafte Gefahr.) Meine heute entstandenen Vanille-Kipferl entsprechen sicherlich nicht der Leitkultur-Industrie-Norm: zu klobig.


Kommt jetzt die Leitkulturpolizei, um zu kontrollieren?
Manchmal frage ich mich, mit welchem Bild von Deutschland diese Leute irgendwann nach Hause zurückkehren oder weiterziehen werden, wenn die Ausländerbehörden es dann irgendwie geschafft haben, sie loszuwerden oder zu zermürben. Die meisten kommen aus Ländern, wo Gastfreundschaft eine sehr hoch geschätzte Selbstverständlichkeit ist.  ... Themawechsel, es wird sonst zu unerträglich.

Trotz allem habe ich es geschafft, ernsthaft wieder an der Nähmaschine zu sitzen. Ein Quilt in der Serie text messages, den ich schon vor fast zwei Jahren begonnen hatte, wird jetzt weiter bearbeitet. Erst musste ich längere Verhandlungen mit der Maschine führen und sie sehr geduldig davon überzeugen, dass ich das jetzt wirklich so machen wollte und sie bitte nicht ständig Schlaufen unten, Schlaufen oben, Anzeige, dass unten etwas blockiert sei, machen solle.



Inzwischen glaubt sie mir auch fast immer, dass es so geht. Nur manchmal, wie ein kleiner Rülpser, oder ein letzter Rest Widerstand, versucht sie nochmal, ob nicht doch sie diejenig sei, die Recht behält... Aber mit Geduld und Spucke wird es schon werden. Geduld allerdings brauche ich hier eine Menge, es ist viel Text.

Montag, 5. Dezember 2016

6. Jubiläum Stoff-Abo für handgefärbte Stoffe

Aus Anlass des sechsjährigen Bestehens meines Stoff-Abos gibt es am morgigen 6. Dezember ein besonderes Angebot:

Bestellen Sie über die Webseite Stoffe (Meterware, zu den üblichen Konditionen wie Mindestabnahme etc.), und Sie erhalten 6% Rabatt auf den Einkaufswert.

Bei Bestellungen von mindestens €60,- erhalten Sie mindestens € 6,00 Rabatt (also 10%) oder, wenn die Rabattsumme des Einkaufswertes über die 6-Euro-Marke hinausgeht, übernehme ich noch das Porto.

Dieses Angebot gilt für alle Bestellungen von Meterware, die am 6. Dezember zwischen 0.01 Uhr und 24.00 Uhr bei mir eingehen.
Abo-Packungen und Schneestoffe sind von der Rabattaktion ausgeschlossen.




Freitag, 2. Dezember 2016

In was für einer Gesellschaft wollen wir eigentlich leben?



Dies ist ja nicht eigentlich ein politisch orientierter Blog, jedenfalls war das überhaupt nicht meine Absicht, als ich mit dem Beginn des Stoff-Abos angefangen habe, diesen Blog zu schreiben. Die Flüchtlingsproblematik der letzten Jahre allerdings hat mich schon vor meinem eigenen ehrenamtlichen Engagement im Helferkreis sehr bewegt und insgesamt einen politischer denkenden Menschen aus mir gemacht, als ich es vorher war. Obwohl ich mir immer schon eingebildet habe, nicht völlig hinter dem Mond zu leben, was politisches Denken und Bewusstsein angeht.
Als ich vor einem Jahr aus meinem Neuseelandurlaub zurückgekommen bin und nach der viel zu kurzen Auszeit deutlich gemerkt habe, wie sehr mich die ganze Situation tatsächlich mitgenommen hatte, hatte ich mir vorgenommen, politische Aussagen und mein damit verbundenes Engagement auch wieder aus dem Blog herauszuhalten. Quilten und Färben ist ein Teil meines Lebens, aber der hat nicht unbedingt etwas mit dem anderen zu tun, oder doch nur manchmal, wenn der Text auf einem Quilt in meiner Serie text messages plötzlich sehr politisch wird... Trotzdem habe ich mich dann entschlossen, die Chance  zu nutzen und im speziellen Projekt der Flüchtlingsklasse Deutsch zu unterrichten. Einerseits, weil ich gerne Deutsch als Fremdsprache unterrichte (jetzt im Nachhinein wird mir klar, dass das natürlich das neue berufliche Betätigungsfeld hätte sein müssen, als ich damals meinen Abschied aus der Universitätslandschaft und der Sprachwissenschaft genommen habe), andererseits, weil ich darin eine Möglichkeit gesehen habe, doch mein Engagement für die Menschen, die ja hinter diesem schrecklichen Wort „Flüchtlingsproblematik“ (oder Flüchtlingswelle, oder Flüchtlingskrise, oder wie immer man es nennen möchte) stecken, fortzusetzen, wenn auch mit ein bisschen Bezahlung für wenigstens einen Teil des Einsatzes. 
Dass ich mich schnell wieder über das vereinbarte Stundenmaß hinaus engagieren würde, war mir  ziemlich klar gewesen, als ich die Bewerbung abgegeben habe. 
Ich wusste allerdings nicht, wie sehr es mich emotional einbinden würde, zu erleben, wie es Flüchtlingen aus Afrika hier ergeht, im Gegensatz zu den Syrern, mit denen ich es im letzten Jahr zu tun hatte. Es ist eine Sache, mit Leuten zu tun zu haben, von denen man mit ziemlicher Sicherheit weiß, dass sie zwar vielleicht erst in vielen Monaten, aber doch dann irgendwann den Aufenthaltsstatus erhalten werden, oder mit Leuten, die praktisch keine Hoffnung haben, als Flüchtlinge anerkannt zu werden. (Über die verschiedenen Abstufungen von Flüchtlings-Definitionen will ich mich hier auch gar nicht auslassen.) Aber das Schlimmste ist nicht diese Aussichtslosigkeit ihres Anliegens. (Sie haben ja kleine Tricks, mit denen sie versuchen, die endgültige Entscheidung möglichst weit hinaus zu schieben.) Sondern das Schlimmste ist das Drumherum, wie die Behörden und diese Gesellschaft mit diesen Menschen umgehen. Wenn ich im Ausländeramt erleben, wie Afrikaner von oben herab behandelt werden, wie mit ihnen umgegangen wird, dann möchte ich vor Scham im Boden versinken. Wenn ich höre, dass manche Afrikaner inzwischen nicht mehr mit dem Fahrrad, das sie von Mitgliedern der Helferkreise geschenkt bekommen haben, weil sie immer wieder von der Polizei angehalten worden sind, die sie aufgefordert hat, eine Quittung vorzuweisen, um zu beweisen, dass sie dieses Fahrrad nicht gestohlen haben (und das waren bestimmt meistens eher schlichte Fahrräder, und keine superteuren Mountainbikes!), dann schnürt es mir die Kehle ab.
Wer von uns führt schon eine solche Quittung bei sich - wer von uns ist schon einmal mit diesem Anliegen angehalten worden? Warum werden fahrradfahrende dunkelhäutige Menschen angehalten, um nachzuweisen, dass das Fahrrad nicht gestohlen worden ist, wenn hellhäutige Menschen nicht genauso häufig angehalten werden? Wenn das keine Schikane ist, was ist es dann? Von blöden Kommentaren durch Unbekannte auf der Straße mal ganz zu schweigen.
Ich könnte noch einige andere Dinge berichten, die in den letzten Wochen hier durch den Schulalltag gegeistert sind und weitaus mehr emotionales Engagement erfordert haben, als die bezahlten 10 Unterrichtsstunden, die ich an drei Vormittagen in der Woche abhalte. Und die mich manchmal zweifeln lassen an meinen Mitmenschen und deren Einstellung anderen Menschen gegenüber.

Ein Bekannter - einer, über den ich nicht zu verzweifeln brauche - brachte es neulich mit dieser kleinen Beschreibung auf den Punkt:
Man muss sich vorstellen, Deutschland als Ganzes sind 100 Leute, die an einer üppig gedeckten Tafel sitzen, zusammen essen und trinken, und vielleicht sogar ein bisschen feiern. Es ist mehr als genug für alle da. Dann kommt einer, der ein wenig anders aussieht, dazu und fragt, ob er sich mit an den Tisch setzen darf. Erst betretene Gesichter, dann schließlich doch ein ‚na gut‘, alle rutschen ein ganz klein wenig zusammen, und der Hinzugekommene darf mit am Tisch sitzen, kriegt auch etwas zu essen. Und dann kommt ein zweiter, der gerne auch mit am Tisch sitzen möchte. Und jetzt heißt es, nein, das geht nicht mehr, wir haben keinen Platz und überhaupt ist nicht genug für alle da.
Das sind die Zahlen der sogenannten Flüchtlingskrise. Zu 80 Millionen sind achthunderttausend dazugekommen, und jetzt schreit Bayerns oberster Schreihals nach einer Obergrenze, immer noch, immer wieder - und was will er überhaupt mit diesem Geschrei erreichen, außer einer Radikalisierung der politischen Landschaft?

Mir ist es fast körperlich unerträglich, dass es in Deutschland wieder Menschen gibt, die davor Angst haben, von der Polizei abgeholt und in irgendwelche Lager gesteckt zu werden. Haben wir davon nicht schon mehr als genug gehabt? Was nehmen uns die Flüchtlinge denn wirklich weg? Die meisten wollen arbeiten, und viele sind sogar bereit, die Drecksjobs zu machen, die den Deutschen nicht mehr gut genug sind. Und gerade die Afrikaner, die in Bayern inzwischen nicht einmal mehr das dürfen, würden diese Drecksjobs machen, für die sich z.B. viele Syrer auch wieder zu schade sind. In meiner Klasse sind mehrere Senegalesen, die bereits Arbeitsplätze hatten, sie haben Steuern und Sozialabgaben gezahlt und fühlten sich auf dem besten Weg, sich allmählich zu integrieren. Die Deutschkenntnisse dieser Afrikaner sind deutlich besser als die vieler Syrer. Was soll diese Abschiebementalität, dieses Verbreiten von Angst, diese Willkürmaßnahmen? Warum können die Afrikaner, die jetzt schon mal hier sind, nicht einfach auch mit am Tisch sitzen. Es ist genug für alle da - und feiern können sie allemal besser als wir!
Ich muss vielleicht doch noch diese Partei gründen, von der ich schon mal geschrieben habe (aber ich konnte eben den Eintrag nicht finden) - nur würde ich sie doch ein wenig anders nennen, Bündnis für Gerechtigkeit und Toleranz, oder so ähnlich. Das gilt nämlich auch für alle Deutschen. Viele Möglichkeiten…aber vielleicht doch nur zum Träumen?