Samstag, 15. Januar 2011

Stoff-Party

Ich quilte seit ich im Schuljahr 1982/83 als Austauschschülerin in den USA war. Damals ging es im wesentlich los mit Stoffresten, die übrig geblieben waren, wenn meine Mutter sich oder mir ein Kleidungsstück selbst genäht hatte. Denn alle beim Zuschneiden abgeschnittenen Stücke wurden miteinander in eine kleine Rolle gedreht, mit einem Bindfaden (oder sogar einem schmalen Stoffstreifen) zusammengebunden und zu den anderen Röllchen in den Schrank gelegt. So kamen über die Jahre doch einige Stoffreste zusammen, auch wenn meine Mutter sicher nicht die produktivste Selbstschneiderin war. Diese gesammelten Röllchen waren für mich ein Stück Verheißung, übten eine Faszination aus, wie sie mich auch heute noch bei Knopfkisten überfallen kann – aber das ist ein anderes Thema.
Als ich also mit meiner minimalen Grundausstattung an schmaler Schneidematte, kleinem Rollschneider und Metall-Leisten in verschiedenen inch-Breiten aus den USA zurückkam und als gefühlte Einzelkämpferin mit dem Patchwork anfing, waren diese Reste ein willkommener Fundus. Hin und wieder wurde ein Stück Stoff dazu gekauft, aber in der Regel wurde aufgebraucht und zusammengesetzt, was bereits da war. (Meine Patchwork-Persönlichkeit kann man auch daran erkennen, dass ich über lange Jahre jede einzelne Machenprobe, die für das Errechnen der Maschenzahl für eine Strickarbeit angefertigt wurde, aufgehoben habe, um daraus irgendwann mal eine Patchworkstrickdecke zu machen. Auch habe ich mehrere Strickjacken aus Wollresten angefertigt – aber auch das ist ein anderes Thema…)
Als ich zum Studium ging, hatte ich erstmal keine Nähmaschine, wenig Geld, und auch nicht genügend Platz für das Ansammeln von Stoff(rest)en, aber ich wusste, dass ich irgendwann wieder zum Patchwork zurückkehren würde.

So richtig los ging es dann als ich einige Jahre später mit gebrochenem Herzen bei meinen Eltern auftauchte und meine Mutter für das Wochenende bei einem Patchworkkurs angemeldet war. Kurzerhand meldete sie mich nachträglich auch noch an, eine Nähmaschine hatte ich inzwischen geerbt, die sowieso bei meinen Eltern auf mich wartete, und gemeinsam zogen wir los. Und damit war es um mich geschehen. Es war ein Crazy-Kurs, und um den an diesem Wochenende angefangenen Quilt fertigzustellen, durfte ich von meiner Mutter einiges an Stoffen mitnehmen.
Hier sehen Sie ein Detail aus diesem Quilt, der letztendlich nicht nur meinen Wiedereinstieg ins Patchwork, sondern gleichzeitig auch den Anfang von meinen Abschied vom traditionellen Arbeiten einleitete:

Detail von "Crazy Beginning"

Damals hatte ich eine halbe Stelle, die allerdings bald auf eine ganze aufgestockt wurde, und da ich eine einigermaßen günstige Wohnung hatte, konnte ich bald der Stoffleidenschaft mit ganzer Hingabe frönen. Über einige Jahre bezog ich dann auch aus den USA einen „fabric club“: jeden Monat bekam ich ein Päckchen mit fat quarters zugeschickt, die nach einem bestimmten Thema zusammengestellt worden waren. (Aus diesem Modell entstand dann auch die Idee zum Stoff-Abo für handgefärbte Stoffe.) Diese Päckchem waren immer ein kleines Weihnachten: eine Überraschung. Obwohl ich bei manchen Stoffen schon beim ersten Anschauen wusste, dass sie eigentlich nicht unbedingt meinem Geschmack entsprachen, habe ich auf die Art und Weise einige Stoffmuster bekommen, die ich nie selbst gekauft hätte, aber dann doch mal einsetzen konnte.
So sammelten sich über die Jahre viele verschiedene Stoffe an. Beim letzten Umzug waren die Männer des Umzugsunternehmens völlig verblüfft – viele Bücherkisten hatten sie ja schon oft erlebt. Aber mehr als dreißig Plastikboxen nur mit Stoffen? Das hatten sie noch nie erlebt.

Mittlerweile bin ich allerdings völlig davon abgekommen, mit kommerziell bedruckten Stoffen zu arbeiten. Zwischenzeitlich hatte ich schon mal einen Schwung für die Patch-Kids gespendet, oder einige Bündel auf E-Bay verkauft, aber es waren immer noch etliche verschiedene Stoffe in meinen Kisten, von denen ich wusste, dass ich sie vermutlich nie wieder verwenden würde.
Als ich nun anfing, Stoffe für das Abo zu färben, und auch in erste Vorbereitungen für den Anfang April stattfindenden Patchwork-Markt in Erding, bei dem ich mit einem Stand vertreten sein werde, eingestiegen bin, war klar, dass ich in meinen Regalen Platz schaffen musste. Aber Stoffe wegschmeißen? Das geht nun wirklich nicht.
Also habe ich am vergangenen Donnerstag fünf ehemalige Teilnehmerinnen von meinen hiesigen Patchworkkursen aus der Nähe auf ein ‚gemütliches Beisammensein’ eingeladen, mit der Auflage, dass sie eine große Tüte oder Tasche mitbringen sollen. Insgesamt waren zwei Umzugskisten voller Stoff zusammengekommen, als ich (ziemlich) radikal unter den kommerziellen Stoffen in meinen Vorräten ausgemistet habe. Und ich habe den fünfen gesagt, ich wollte keinen der Stoffe mehr in den Kisten übrig behalten.

Es war eine richtig tolle Stoff-Party. Ich habe mich sehr gefreut, zu sehen, in welche Begeisterungsstürme meine Gäste ausbrachen, als sie ein schönes Stöffchen nach dem anderen in die Hand nahmen. Mit dem Verteilen waren wir sicher eine Dreiviertelstunde lang beschäftigt. Es tat mir gut, alle diese Stoffe loszulassen, obwohl ich zu ziemlich vielen von ihnen eine Geschichte hätte erzählen können! Aber es war auch sehr gut, zu sehen, dass sie von den neuen Besitzerinnen mit Freuden empfangen worden sind, denn man hat ja so seine eigene enge Beziehung zum über Jahre hinweg angesammelten Stofflager!
Und nun bin ich gespannt, was sie aus diesen Stoffen noch machen werden.

Aber im Nachhinein habe ich mir gedacht, dass es doch eine sehr gute Möglichkeit der Reinigung bzw Auffrischung der Stofflager ist. Laden Sie sich doch mal ein paar quiltende Freundinnen ein, die jeweils zwei oder drei Stoffstücke mitbringen sollen, und tauschen Sie. Sicherlich erhalten Sie so gerade den einen Stoff, den sie noch brauchen, um Ihre Stoffsammlung an einer bestimmten Stelle aufzufüllen!
Viel Spaß bei der Party!

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