Nun hatte sich leider für mich noch keine Gelegenheit für einen
Ausflug in den Bayerischen Wald geboten, während meine zwei Männer schon
mindestens einmal wieder dort waren, als ich mal ein Kurswochenende hatte.
Ganz uneigennützig beschloss ich, dass wir wieder in der
bewährten Unterkunft einkehren würden. Ich wusste, mein Sohn würde den ganzen
Tag mit den Kindern der Besitzer des
Hofstüberls spielen. Einerseits würde mir das viel Ruhe geben, um mitgebrachte
Hand-arbeiten an noch unfertigen Quilts für Ste. Marie-aux-Mines zu erledigen.
Außerdem hoffte ich allerdings auch, dass es vielleicht möglich sein würde,
einmal für eine Zeit alleine das Gelände zu verlassen.
Und so war es – ich konnte eigentlich das ganze Wochenende
in Ruhe sitzen und das Sticheln an Linienspiel XXIX fortsetzen, das mich auch
im Urlaub auf Föhr gut beschäftigt hatte.
Nur hin und wieder tauchte mein Sohn auf, um seine
Fußballschuhe aus- oder wieder anzuziehen. Und Samstagmittag konnte ich mich
aufs Fahrrad schwingen, das wir im Auto mitgebracht hatten, und Richtung
Breitenberg fahren, ohne ihn aus seinem Spiel reißen zu müssen.
Es ging zwar deutlich mehr bergauf und bergab als mir das
noch von unseren Autofahrten im Winter so richtig in Erinnerung war, aber es
war eine wunderbare Fahrt durch den sommerlichen Bayerischen Wald.
Das Museum hatte gerade geöffnet, als ich ankam.
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Neuseeland-Fahrrad vor geöffneter Tür des Webereimuseums |
Mehrere Häuser sind mit vielfältigen Informationen zum
Weberhandwerk, das mal ein wichtiger Wirtschaftszweig in der dortigen Gegend
war, angefüllt. Die erste Stube, in die man beim Rundgang eintritt, ist bereits
mit alten handgewebten Vorhängen ausgestattet.
Nebenbei findet man aber auch
‚fachfremde’ Informationen.
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Trächtigkeitskalender für Haustiere... |
An manchen Tagen kommt ein älterer Herr, der ursprünglich
mal bei der Handweberei Moser den Beruf des Webers erlernt, aber dann in
mehreren anderen Berufen gearbeitet hat und webt. Ich hatte Glück und konnte
ihm eine ganze Weile bei seiner Tätigkeit zuschauen. Es ist faszinierend, mit
welcher Gleichmäßigkeit die Bewegungen ablaufen, mit welcher Geschwindigkeit
das Webstück wächst, mit welcher Sicherheit die Füße einen Schaft nach dem
anderen treten.
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Experte bei der Arbeit |
Allerdings war ein gut Stück Frustration aus seiner Stimme
zu hören, als er einmal kommentierte „Das lernt heute niemand mehr richtig als
Beruf. Ist unrentabel.“
Er webt wunderbare Leinenhandtücher, die man direkt bei ihm
erwerben kann. Ich habe einen ganzen Stapel mitgenommen.
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Das gewebte Muster - die Litzen werden nicht immer wieder neu bestückt, sondern die Kettfäden werden einfach angeknotet. Spart viel Zeit! |
In den weiteren Räumen des Museums wird man über Flachsanbau
und –aufbereitung informiert,
sieht zahlreiche weitere Geräte, die bei der Leinenherstellung in Vorbereitung auf das Weben notwendig sind,
und kriegt auch noch einen kleinen Eindruck vom Blaudruck
vermittelt, der ebenfalls eine Zeitlang in der Gegend angesiedelt war.
Dies
alles wird anschaulich beschrieben, wenn auch ein paar Geräte durch eine genauere Beschilderung etwas besser einzuordnen wären.
Der Weber erzählte, dass in diesem Jahr bisher sehr wenige
Besucher gekommen wären. Sind nun, nachdem diese Techniken als Berufe hier
aussterben, nicht einmal mehr die Museen interessant, in denen man wenigstens
einen kleinen Einblick darein gewinnen kann?
Insgesamt ein sehr lohnenswertes Museum, v.a. wenn man
tatsächlich den „Leinenradweg“ abfährt und auch einen Besuch in der Handweberei
damit kombiniert. Aber Vorsicht! Der Bayerische Wald ist keine norddeutsche
Tiefebene, es geht wirklich rauf und runter, und die 42 km sind eine satte, nicht unanstrengende Tagestour.