Montag, 12. Mai 2014

Mülltrennungserziehung auf bayerisch

Das Duale System  ist eine der Besonderheiten des deutschen Gemeinwesens, die beispielsweise im Unterricht Deutsch als Fremdsprache unter dem Stichpunkt „Landeskunde und –sitten“ einen breiten Raum einnehmen und bei den Sprachlernenden durchaus heftiges Kopfschütteln auslösen kann. Schon manche WG mit ausländischen Mitbewohnern soll da vor gewissen Eingewöhnungsschwierigkeiten gestanden haben. Es ist ja auch eine ganz besondere Note, wenn vier verschiedene Mülleimer – oder könnten es noch mehr werden? –nebeneinander stehen und jeweils nur mit bestimmten Wegwerfmaterialien bestückt werden dürfen, oder wenn an bestimmten Tagen nur die Mülltonnen mit der einen Deckelfarbe draußen stehen dürfen. Das Ganze läuft nach kompliziertem Kalender, den zu durchschauen nicht immer leicht ist, und wehe, man ist in der KW verrutscht! Eine volle Papiertonne nicht rausgestellt zu haben, bedeutet sechs Wochen höchste Nöte bis zum nächsten Abfuhrtermin! Daher rührt vermutlich auch mein freitägliches Aufschrecken aus seligem Schlaf, wenn zu entsetzlich früher Stunde aus der Ferne die ersten Töne der anrückenden Müllabfuhr zu hören sind – habe ich auch wirklich die richtigen Tonnen rausgestellt? Oder habe ich es gar vergessen? Hier kommen sie so früh, und nachdem man sie das erste Mal gehört hat, sind sie so schnell da, da ist kaum noch ein Spurt im Nachthemd in die Auffahrt möglich. Und die Herren sind gnadenlos – wenn die Tonnen nicht unten an der Straße stehen, gehen sie keine drei Meter, um die richtige Tonne zu holen.
Hier soll es aber um die Gelben Säcke gehen. Auch wenn ich bei Einführung des grünen Punktes damals zu den Frechen gehört habe, die ein leeres Buttereinwickelpapier an den Umweltminister schickten (war es Herr Töpfer? sorry – heute würde ich das vermutlich so nicht mehr tun) – das Prinzip der Mülltrennung heiße ich aus ganzem Herzen gut und würde mir wünschen, dass es intensiver betrieben wird, nämlich deutlicher in die Richtung ‚konsequente Müllvermeidung’. Über Plastikmüll habe ich ja schon mal geschrieben, http://justcolours-uta.blogspot.de/search/label/Plastik  und die Bilder vom Plastikstrudel im Pazifik bzw. von Mägen verendeter Seevögel oder Fische, die wegen der vielen Plastikteilen verhungert sind, sind ein einziges Grausen. Ich bin wirklich der Meinung, Plastik – wenn es denn als Verpackungsmaterial tatsächlich nicht vermieden oder möglichst bald ersetzt werden kann – ernsthaft getrennt zu sammeln und soweit wie nur irgend möglich wiederzuverwerten, ist eine sinnvolle Angelenheit, auch wenn es bedeutet, dass man wochenlang die gefüllten Gelben Säcke irgendwo lagern muss.

Stapel im Abstellschuppen neben der Garage

Mit den gelben Säcken gibt es hier aber ein Problem. Es gibt genau eine Stelle in der Gemeinde, wo man gelbe Säcke bekommen kann: im Rathaus. Dort steht ein Korb im Gang, aus dem man sich bedienen kann. Allerdings ist der Korb meistens leer. Und die mahnende Tafel, „Nur eine Rolle pro Haushalt“ wirkt, wenn man vor dem leeren Korb steht, eher wie Hohn als wie ein zu beherzigender Aufruf. Natürlich nimmt man wenigstens zwei Rollen, wenn man mit einem solchen Schild und dem häufigen Leerstand dieses Korbes konfrontiert wird! Früher gab es noch eine zweite Stelle, wo man gelbe Säcke bekommen konnte, in einem Supermarkt, aber seit dieser in private Trägerschaft übergegangen ist, ist diese Quelle versiegt. Vor einiger Zeit hat jetzt auch noch das Müllentsorgungsunternehmen gewechselt. Und seitdem ist der Gelbe-Sack-Notstand noch gravierender geworden.
In den letzten vier Wochen war ich vier Mal im Rathaus, um einen Versuch zu starten, Gelbe Säcke zu bekommen, denn unsere Rolle (das letzte Mal war ich brav und habe tatsächlich nur eine genommen!) geht allmählich zur Neige.

Vielleicht noch drei, vier Säcke.

Es ist mir bis heute nicht gelungen. Allerdings ist mir beim heutigen Versuch aufgefallen, dass über dem besagten Korb ein vergrößert kopierter Zeitungsartikel über dieses neue Entsorgungsunternehmen und ihre Gelbe-Sack-Politik ausgehängt ist. Darin steht, dass das Unternehmen festgestellt hat, dass deutlich mehr Säcke ausgegeben werden, als im Rücklauf beim Unternehmen wieder auftauchen. (Mehrkosten für das Unternehmen!) Sie vermuten „Zweckentfremdung“ von gelben Säcken. (Meine Güte. Ich habe auch schon mal einen Quilt im gelben Sack zum Fotografen getragen. Bin ich froh, dass ich den Sack danach doch noch als Gelben Sack verwendet habe. Ich hätte mich ja schuldig gemacht...)
Außerdem haben sie festgestellt, dass die Leute Vorratshaltung betreiben und sich mit unzulässig vielen Rollen eindecken, anstatt im Sinne des Gemeinwesens jeweils mit nur einer Rolle glücklich zu sein und anderen auch ihren Teil zu lassen. (Wen wundert’s? Wenn man den Eindruck kriegt, nie welche abzukriegen, greift man natürlich zu, wenn man einmal zu den Glücklichen zählt, die mehr erwischen können!) Müllgebühren decken die Kosten für die Bereitstellung Gelber Säcke nicht ab?
Jedenfalls hat das Müllentsorgungsunternehmen bekannt gegeben, dass es erzieherisch tätig werden, der Zweckentfremdung und dem Vorratshaltungwesen entgegenwirken will – es werden nur noch alle vier Wochen Gelbe Säcke ausgegeben. So. Jetzt war ich aber, wie gesagt, in den letzten vier Wochen vier Mal dort, ohne an einen einzigen gelben Sack geraten zu sein, den ich hätte mit nach Hause nehmen können. Und es werden keine Termine bekannt gegeben, wann denn die Liefertermine sind, dass man sich das in den Kalender schreiben könnte.
Da habe ich festgestellt, dass heute bei mir eine eindeutige Reaktion auf die erzieherischen Maßnahmen des Entsorgungsunternehmens eingetreten ist: ich werde nach Aufbrauchen meiner Rolle Gelber Säcke die Mülltrennung nach Plastik- und Restmüll einstellen! Auf keinen Fall mehr werde ich vergebliche Gänge ins Rathaus unternehmen auf der Jagd nach diesen Teilen. Stärkeres Bemühen um Müllvermeidung, ja, und sollte ich sowieso mal im Rathaus sein, schaue ich auch mal bei dem Korb vorbei. Aber wenn ich keine Gelben Säcke bekomme, sehe ich auch nicht ein, dass ich den Inhalt separat aufbewahre. Dann kann ich wenigstens auch nicht den Abfuhrtermin verpassen. Und ich befinde mich in Gesellschaft – seit wir hier wohnen hat der Nachbar noch kein einziges Mal einen Gelben Sack vor die Tür gestellt.

Ich bin gespannt, wie lange es dauern wird, bis ich mir den Reflex abtrainiert haben werde, Plastikmüll in einen separaten Container zu stecken, immerhin habe ich mich bereits die Hälfte meines Lebens darauf konditioniert, Müll zu trennen. Und jetzt plötzlich nicht mehr? Aber irgendwo hört der Spaß auf.

2 Kommentare:

  1. Hallo Uta,
    entschuldige bitte, aber ich habe mich beim Lesen Deines Berichtes köstlich amüsiert! Diese Haltung des Müllentsorgungsunternehmens (was für ein Wort!) nach dem Motto: "Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt!" ist so erheiternd wie unverständlich und ziemlich kindisch.
    Ich trenne zwar, jedenfalls meistens, habe aber kein Problem damit, Plastikmüll auch hin und wieder in der Restmülltonne zu entsorgen. Irgendwann las ich mal einen Bericht, dass letztendlich ALLES in der Müllverbrennung landet, was wir vorher so brav getrennt haben.
    Manchmal kommt man sich ziemlich verarscht vor, nicht wahr?
    Liebe Grüße
    Renate D.

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    1. Ist ja schön, Renate, dass Dich das erheitert. Wenn ich nicht gerade mal wieder neben dem leeren Körbchen stehe, kann ich auch fast drüber schmunzeln. Von einer Freundin in der Nähe von Bielefeld weiß ich auch, dass deren Gelbe Säcke alle direkt in die Müllverbrennungsanlage wandern, die Entsorgungsbetriebe aber trotzdem, ebenfalls 'aus erzieherischen Gründen', weiterhin auf der Trennung (und der separaten Abfuhr) bestehen. Fühlt man sich da als mündige/r BürgerIn?
      Gestern habe ich aber beim Aufräumen unter meinen gelagerten Quilts einen leeren gelben Sack entdeckt. Ich weiß nicht, ob der jetzt unter "Zweckentfremdung" oder unter "Vorratshaltung" fällt, aber ich habe ihn auf jeden Fall zu der Vorratsrolle getan. Damit ist mein ganz persönlicher Ausstieg aus dem Dualen System noch um ein paar weitere Tage verschoben worden.

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