Seit Jahren habe ich im Regal neben meinem Nähtisch den
Kalender mit 365 Patchworkmustern stehen, den ich jeden Tag neu umblättere,
auch wenn ich nur selten in die Versuchung komme, eines der Muster für ein
Projekt weiter zu denken.
Das heutige Blatt ist auch eines, das ich bestimmt nie nähen
würde.
Aber es hat mir nochmal ganz deutlich vor Augen geführt,
dass Idyll-Vorstellungen und Realität eigentlich nur selten in Übereinstimmung
zu bringen sind. Seit fast 9 Jahren wohnen wir in einem Haus, in dessen Garten (direkt
neben der Terrasse) eine Magnolie steht, die auch schon etliche Jahre vor
unserem Einzug da gestanden hat, vermutlich seitdem das Haus gebaut wurde, also
beeindruckend groß ist.
Bevor wir hier eingezogen sind, habe ich auch jedesmal, wenn
ich eine blühende Magnolie gesehen habe, gedacht „Oh, wie schön, so eine will
ich auch mal haben.“ In den neun Jahren allerdings habe ich noch kein einziges
Mal eine Blüte erlebt, die nicht nach spätestens zwei Tagen von einem heftigen
Regen, meist gefolgt von kalten Tagen, rabiat beendet worden wäre, denn Regen
vertragen diese Blüten nicht. (Dieses Jahr hat die Blüte zwar mal länger
gehalten – allerdings war ich während dieser Tage für das PPM in Prag und habe
es wieder nicht mitgekriegt, nur von meinem Mann darüber gehört, der genussvoll
im Liegestuhl unter der Blütenpracht Zeitung gelesen hat.)
Außerdem haben wir festgestellt, dass es sich bei Magnolien
um ausgesprochen dreckintensive Bäume handelt. Es beginnt mit den Knopsenabdeckungen,
die die bereits im Herbst angelegten Knopsen den Winter über schützen und im
Frühling schon deutlich vor Beginn der Blüte aufplatzen und herabfallen, über
einen ausgedehnten Zeitraum von mehreren Wochen hinweg, während die Blüten sich
auf ihren kurzen spektakulären Auftritt vorbereiten. Nach der Blüte folgen
natürlich die Blütenblätter, die an sich schon rutschig sind, was durch den in
den Tagen meist fallenden Regen allerdings nochmal hochgradig gesteigert wird.
Man muss sehr gut aufpassen, dass man nicht darauf ausrutscht. Außerdem
verschmieren sie den Untergrund, sollte man aus Versehen drauftreten und dabei
unausweichlich eines zermalmen. Schnelles Wegefegen ist wegen der Feuchtigkeit
meist nicht so einfach möglich.
Kurz darauf dann, noch bevor die Blätter eine wirkliche
Größe erreicht haben, werden die unbefruchteten Blütenstände abgeworfen. In
dieser Phase befinden wir uns jetzt gerade – es ist also noch nicht mal Mitte
Mai und wir haben wegen der Magnolie mindestens schon sechs bis sieben Mal
einsatzreich die Terrasse gefegt. (Das ist öfter, als wir in diesem Jahr schon Rasen gemäht haben!)
Jetzt beginnt dann aber eine relativ ruhige Zeit – wenn die
Blätter ausgewachsen sind, macht sie tatsächlich den Sommer über einen schönen
Schatten. Und wenn die Herbstfärbung einsetzt, ist es auch ein wunderbarer
Anblick.
Aber wenn es soweit und der Lebenszyklus der Blätter vorbei ist, wird
es nochmal heftig, denn die Blätter sind sehr ledrig, sehr zahlreich, und die
Phase des fallenden Laubes ist sehr ausgedehnt. Dazu kommen auch noch die
Samenstände, die eine durchaus phallische Form aufweisen können.
Bisher habe ich mich nie wirklich getraut, mit jemandem über
dieses mittlerweile gestörte emotionale Verhältnis zu Magnolienbäumen zu
sprechen. Wenn irgendjemand eine blühende Magnolie bewundert, halte ich meinen
Mund und denke mir mein Teil. Aber neulich machte Alexa eine abfällige
Bemerkung über ihre Magnolie, und ich habe erstaunt aufgehorcht. Im folgenden
Austausch war ganz schnell klar, dass wir beide so ziemlich ähnlicher Meinung
über diesen Baum sind und ihn für keine Bereicherung unserer Gärten halten. Das
tat richtig gut. Alexa steht sogar immer wieder kurz davor, ihre Magnolie
umzulegen. Soweit werde ich nicht gehen, da es nicht mein Haus und Garten ist und wir
vermutlich auch nicht mehr wirklich lange hier wohnen werden. Aber ich würde
nie jemandem empfehlen, eine Magnolie irgendwoanders als mitten in eine Wiese
zu setzen, sonst ist man ständig damit beschäftigt, die dreckigen Hinterlassenschaften wegzuräumen.
Dies alles schreibe ich im derzeit noch nicht besonders gut
ausgebildeten aber sich allmählich entwickelnden Schatten dieses Baumes, nachdem ich den heutigen Fegevorgang
erledigt habe...
Bis das Laub fällt, dauert es ja hoffentlich noch ein paar
Monate.
Aber ich denke, jeder wird verstehen, warum ich nie auf die
Idee käme, den Patchworkblock für das heutige Datum nachzunähen!
Ich liebe meinen Magnolienbaum und die Blüten und Blätter wegräumen finde ich überhaupt nicht schlimm und es käme mir nie in den Sinn diesen schönen schattenspendenden Baum zu fällen!
AntwortenLöschenIch lese gerade -sehr verspätet- mit viel Vergnügen Deine aus dem Leben gegriffenen Anmerkungen zu Mülltrennung und Magnolien, herrlich!! Im Nachbargarten steht so ein Traumteil für ein- oder zwei Tage; den Rest der Zeit verdunkelt sie den Nachbarn durch das viele Laub das Wohnzimmer. Ich habe wegen der bei uns immer vorkommenden Nachtfröste zur Blütezeit die sorte "Susann" gewählt, die viel später blüht, wegen der dann schon sprießenden Blätter ist die Blüte aber viel weniger imposant. Na ja, alles kann man nicht haben. Viel Spaß in Karlsruhe!
AntwortenLöschenLG, Regine