Samstag, 10. Mai 2014

Patchwork-Idylle und Realität

Seit Jahren habe ich im Regal neben meinem Nähtisch den Kalender mit 365 Patchworkmustern stehen, den ich jeden Tag neu umblättere, auch wenn ich nur selten in die Versuchung komme, eines der Muster für ein Projekt weiter zu denken.
Das heutige Blatt ist auch eines, das ich bestimmt nie nähen würde.


Aber es hat mir nochmal ganz deutlich vor Augen geführt, dass Idyll-Vorstellungen und Realität eigentlich nur selten in Übereinstimmung zu bringen sind. Seit fast 9 Jahren wohnen wir in einem Haus, in dessen Garten (direkt neben der Terrasse) eine Magnolie steht, die auch schon etliche Jahre vor unserem Einzug da gestanden hat, vermutlich seitdem das Haus gebaut wurde, also beeindruckend groß ist.



Bevor wir hier eingezogen sind, habe ich auch jedesmal, wenn ich eine blühende Magnolie gesehen habe, gedacht „Oh, wie schön, so eine will ich auch mal haben.“ In den neun Jahren allerdings habe ich noch kein einziges Mal eine Blüte erlebt, die nicht nach spätestens zwei Tagen von einem heftigen Regen, meist gefolgt von kalten Tagen, rabiat beendet worden wäre, denn Regen vertragen diese Blüten nicht. (Dieses Jahr hat die Blüte zwar mal länger gehalten – allerdings war ich während dieser Tage für das PPM in Prag und habe es wieder nicht mitgekriegt, nur von meinem Mann darüber gehört, der genussvoll im Liegestuhl unter der Blütenpracht Zeitung gelesen hat.)
Außerdem haben wir festgestellt, dass es sich bei Magnolien um ausgesprochen dreckintensive Bäume handelt. Es beginnt mit den Knopsenabdeckungen, die die bereits im Herbst angelegten Knopsen den Winter über schützen und im Frühling schon deutlich vor Beginn der Blüte aufplatzen und herabfallen, über einen ausgedehnten Zeitraum von mehreren Wochen hinweg, während die Blüten sich auf ihren kurzen spektakulären Auftritt vorbereiten. Nach der Blüte folgen natürlich die Blütenblätter, die an sich schon rutschig sind, was durch den in den Tagen meist fallenden Regen allerdings nochmal hochgradig gesteigert wird. Man muss sehr gut aufpassen, dass man nicht darauf ausrutscht. Außerdem verschmieren sie den Untergrund, sollte man aus Versehen drauftreten und dabei unausweichlich eines zermalmen. Schnelles Wegefegen ist wegen der Feuchtigkeit meist nicht so einfach möglich.


Kurz darauf dann, noch bevor die Blätter eine wirkliche Größe erreicht haben, werden die unbefruchteten Blütenstände abgeworfen. In dieser Phase befinden wir uns jetzt gerade – es ist also noch nicht mal Mitte Mai und wir haben wegen der Magnolie mindestens schon sechs bis sieben Mal einsatzreich die Terrasse gefegt. (Das ist öfter, als wir in diesem Jahr schon Rasen gemäht haben!)


Jetzt beginnt dann aber eine relativ ruhige Zeit – wenn die Blätter ausgewachsen sind, macht sie tatsächlich den Sommer über einen schönen Schatten. Und wenn die Herbstfärbung einsetzt, ist es auch ein wunderbarer Anblick. 




Aber wenn es soweit und der Lebenszyklus der Blätter vorbei ist, wird es nochmal heftig, denn die Blätter sind sehr ledrig, sehr zahlreich, und die Phase des fallenden Laubes ist sehr ausgedehnt. Dazu kommen auch noch die Samenstände, die eine durchaus phallische Form aufweisen können.



Bisher habe ich mich nie wirklich getraut, mit jemandem über dieses mittlerweile gestörte emotionale Verhältnis zu Magnolienbäumen zu sprechen. Wenn irgendjemand eine blühende Magnolie bewundert, halte ich meinen Mund und denke mir mein Teil. Aber neulich machte Alexa eine abfällige Bemerkung über ihre Magnolie, und ich habe erstaunt aufgehorcht. Im folgenden Austausch war ganz schnell klar, dass wir beide so ziemlich ähnlicher Meinung über diesen Baum sind und ihn für keine Bereicherung unserer Gärten halten. Das tat richtig gut. Alexa steht sogar immer wieder kurz davor, ihre Magnolie umzulegen. Soweit werde ich nicht gehen, da es nicht mein Haus und Garten ist und wir vermutlich auch nicht mehr wirklich lange hier wohnen werden. Aber ich würde nie jemandem empfehlen, eine Magnolie irgendwoanders als mitten in eine Wiese zu setzen, sonst ist man ständig damit beschäftigt, die dreckigen Hinterlassenschaften wegzuräumen.
Dies alles schreibe ich im derzeit noch nicht besonders gut ausgebildeten aber sich allmählich entwickelnden Schatten dieses Baumes, nachdem ich den heutigen Fegevorgang erledigt habe...
Bis das Laub fällt, dauert es ja hoffentlich noch ein paar Monate.

Aber ich denke, jeder wird verstehen, warum ich nie auf die Idee käme, den Patchworkblock für das heutige Datum nachzunähen!

2 Kommentare:

  1. Ich liebe meinen Magnolienbaum und die Blüten und Blätter wegräumen finde ich überhaupt nicht schlimm und es käme mir nie in den Sinn diesen schönen schattenspendenden Baum zu fällen!

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  2. Regine Daldrup19. Mai 2014 um 20:23

    Ich lese gerade -sehr verspätet- mit viel Vergnügen Deine aus dem Leben gegriffenen Anmerkungen zu Mülltrennung und Magnolien, herrlich!! Im Nachbargarten steht so ein Traumteil für ein- oder zwei Tage; den Rest der Zeit verdunkelt sie den Nachbarn durch das viele Laub das Wohnzimmer. Ich habe wegen der bei uns immer vorkommenden Nachtfröste zur Blütezeit die sorte "Susann" gewählt, die viel später blüht, wegen der dann schon sprießenden Blätter ist die Blüte aber viel weniger imposant. Na ja, alles kann man nicht haben. Viel Spaß in Karlsruhe!
    LG, Regine

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