Erst am zweiten Weihnachtstag habe ich mich hingesetzt und
meinen jährlichen englischsprachigen Rundbrief an die Freunde im Ausland
geschrieben. In den Jahren zuvor habe ich es wenigstens immer noch rechtzeitig
vor dem oder wenigstens direkt am Heiligen Abend geschafft… Beim Schreiben ist
mir nochmal ganz deutlich klar geworden, was ich ja eigentlich ganz genau
wusste: dieses vergangene Jahr - eigentlich seit dem September 2016 - hat es
für mich praktisch nur ein Thema gegeben; Die Ungerechtigkeit der verweigerten
Arbeitserlaubnisse für Geduldete aus ‚sicheren Herkunftsländern‘.
Ich weiß noch genau, wie ich mich zu Anfang meines
Engagements für Flüchtlinge, als es darum ging, Hauspatenschaften für die
verschiedenen Unterkünfte bei uns in der Stadt zu übernehmen, ganz bewusst
gegen die Hauspatenschaft für das Haus mit den Afrikanern entschieden habe,
weil ich mir damals dachte, die haben eh keine Chance, dass etwas klappt, das
tue ich mir nicht an. Damals waren Syrer, die über ein anderes europäisches
Land eingereist waren, wegen der Dublin-Regelungen noch von Abschiebungen nach
Ungarn und Bulgarien bedroht, bis im September 2015 der große Marsch ankam und
für Syrer auf einmal keine Dublin-III-Regelung mehr galt. Da gab es auch genug
zu tun. Wie es dann weiterging, will ich
hier nicht mehr in allen Einzelheiten darstellen, zwischenzeitlich hatte sich
mein Engagement (außerhalb der Schule) weitgehend auf die Senegalesen
konzentriert, das wird sich jetzt wieder etwas ändern - aber es ist im
vergangenen Jahr auf jeden Fall für mich das alles beherrschende Thema
geblieben. Zum Leidwesen und Missvergnügen meines Mannes, der der Meinung ist,
dass ich mich auch mal um andere Belange kümmern sollte, weil ich alleine die
Politik der hiesigen Staatsregierung nicht ändern könne, und wir seien doch
immerhin noch ein Rechtsstaat.
Das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit dieses
"Freistaates" habe ich längst verloren, und „Rechtsstaatlichkeit“ scheint mir
kein ausreichendes Kriterium für ein richtiges Handeln, das für mich in erster
Linie an Menschlichkeit, Gerechtigkeit und sinnvollem Handeln in praktikablem
Rahmen ausgerichtet sein sollte.
Gestern also nochmal die Bewusstwerdung darüber, wie sehr
ich mich in dieses Thema eingebracht habe - und ich brauche mir nichts
vorzumachen, das wird sich in nächster Zeit nicht sonderlich ändern. Auch wenn
die Schwerpunktlage vielleicht ein bisschen verschoben wird.
Aber ich frage mich, warum dieses Thema der Flüchtlingsfrage
in Deutschland tatsächlich so groß ist. Für mich persönlich frage ich mich
nicht, ich habe wunderbare Menschen kennengelernt, und denen zu helfen, sich im
‚Rechtsstaat‘ zurechtzufinden und ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen ist keine
Frage. Aber ich halte die Flüchtlingsfrage tatsächlich für eines der kleinsten
Probleme, die Deutschland zur Zeit hat. Allerdings wird es medial und politisch
so dermaßen aufgebauscht, dass eine völlige Verzerrung stattfindet. Die Kämpfe
um Obergrenze und Familiennachzug wiederum sind dann nur kleinere Teilbereiche
innerhalb des ganzen Themenkomplexes - aber so wie die bayerische Staatspartei
sich aufführt, sollte man meinen, die Welt gehe unter, wenn sie nicht ihre
Positionen durchfechten kann.
Vor paar Tagen fand ich im Netz diesen Artikel über dieÜberhandnahme der deutschen Unzufriedenheit - es geht uns wirtschaftlich so gut
wie nie, und doch sind wir so verunsichert, unzufrieden und ständig wird dieses
Streben nach Abschottung stärker. Wie kann das sein?
Hier fordern die Kommunen, dassFlüchtlinge schneller in Arbeitsverhältnisse gebracht werden. Ich nehme an,
hier wird vor allem auf anerkannte Flüchtlinge Bezug genommen, und ich sehe das
genauso. Einige der schnell und auf 3 Jahre anerkannten Syrer machen hier bei
uns in der Stadt auf Hartz IV einfach (relativ gemütlich) Urlaub oder sind der
Meinung, unter einer Arbeitsstelle als Chefinformatiker bei BMW ist jede Arbeit
für sie eine Zumutung. Und Deutsch lernen ist unbequem.
Andererseits hört man dann Radiosendungen wie diese (alsPodcast verfügbar ) ,
wo man sich dann fragt, nach welchen rassistischen Motiven und Eigeninteressen
die EU eigentlich verfährt. Globalisierte Wirtschaft, ja, aber globale
Migrationsbewegungen nein. Afrikanische Staaten, die innerhalb des Kontinents darum
bemüht sind, Freizügigkeit für die Bürger zu etablieren, werden mit der
Geldknute gezwungen, verschärfte Grenz- und Sicherheitssysteme aufzuziehen, die
die Flüchtlinge innerhalb Afrikas auf dem Weg nach Norden aufhalten sollen.
Diese Grenzzäune wiederum werden von europäischen Firmen geliefert, die sich
daran eine goldene Nase verdienen. Die Flüchtlings’krise‘ also als großes
Wirtschaftsankurbelungsprogramm für europäische Firmen…?
Ist das tatsächlich die Staatengemeinschaft, die vor einigen
Jahren den Friedensnobelpreis gewonnen hat für ihr Eintreten in der
Flüchtlingsfrage? Aber der Nobelpreis wird ja auch von einer europäischen
Instanz verliehen. Wir haben schon eine besondere Sichtweise auf die und
Umgehensweise mit der Welt.
Man kann nur sagen - wie verbohrt sind wir eigentlich? Und
warum sollte es eigentlich nicht zu schaffen sein, ein paar afrikanische und syrische
Flüchtlinge zu integrieren, wenn sie das wollen? Wer arbeiten will, soll
arbeiten dürfen. Damit ist Afrika mehr geholfen, als wenn die europäischen
Grenzen weiter nach außen verlagert werden. Denn was für ein Quatsch es ist,
wenn deutsche Grenzen am Hindukusch verteidigt werden, haben wir ja schon
einmal demonstriert bekommen. Dadurch werden nämlich neue Flüchtlingsströme
ausgelöst…
Das Thema des vergangenen Jahres wird mich also nicht
verlassen. Wenn ich es auch nicht zum Hauptthema dieses Blogs machen will - es
wird sicher immer wieder mal auftauchen. Und es drängt weiter in meine Quilts.
Gerade bin ich dabei, den Quilt fertigzustellen, den ich bei der Triennale
einreichen will. Er gehört zur Serie
text messages. Hier nur ein ganz kleines Detail:
Und er ist bestimmt nicht der letzte, der dieses Thema
aufgreift.
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