Montag, 10. Dezember 2018

(Mehrfach verschoben:) Was ist das eigentlich - Heimat?


Den folgenden Text wollte ich eigentlich schon vor ungefähr einem Monat veröffentlichen. Aber jedes Mal, wenn ich noch ein bisschen daran gefeilt hatte, kam wieder etwas dazwischen, und Hochladen auf den Blog war wieder nicht möglich. Es ist auch keine endgültige Aussage. Aber es sind Gedanken, die mir immer mal wieder durch den Kopf gehen.



In Deutschland, und vor allem in Bayern wird in letzter Zeit viel von „Heimat“ geredet. Der Innenminister (aus Bayern) ist jetzt sogar auch der Heimatminister – hat allerdings selbst den Versprecher vom „Heimatmuseum“ geliefert. Meines Erachtens ist dieser Freudsche Versprecher ein deutliches Zeichen, wie es um die Zuständigkeit eines Ministers um Heimat steht.
Anfang des Monats war ich aus familiärem Anlass bei meinen Eltern zu Besuch. Sie wohnen gegenüber von einem wohl unverbaubarem Waldstück, schöner Laubmischwald, im Herbst eine wahre Wonne. Für November war das Wetter unbeschreiblich schön, für die Jahreszeit zu warm – und der Wald auf der gegenüberliegenden Straßenseite in voller Herbstpracht. In dem Haus, wo meine Eltern jetzt noch wohnen, habe ich selbst zwar nur ungefähr 4 Jahre gelebt, aber auch vorher waren wir ja schon in der Gegend, und diese Art von Wald ist dort typisch. Jedesmal, wenn ich dort bin, genieße ich diesen Wald, gehe morgens nach Möglichkeit zum Walking, oder freue mich am Ausblick von der Terrasse vor dem Haus meiner Eltern.







Außer meinen Eltern allerdings ist dort niemand in dem Ort, zu dem ich nach der Schule Kontakt gehalten hätte. Obwohl ich annehme, dass noch einige Klassenkameradinnen und Klassenkameraden in der Nähe sind, sind aus der Schule keine Beziehungen übriggeblieben. Der ältere Bruder wohnt in der 25km entfernten Stadt. Der Wald gefällt mir, ein Teil der Familie ist dort – aber Heimat ist für mich dort nicht.
Wo ich heute wohne, in einem Haus, das nicht uns gehört, und an dem wir ohne behördliche Genehmigungen und Finanzierungspläne nach vorgegebenen Abständen nur Renovierungsarbeiten durchführen lassen aber keine baulichen Veränderungen vornehmen können, ist es mit den Heimatgefühlen ebenfalls schwierig. Hier lebt ‚meine Familie‘, und für meinen Sohn ist es natürlich Heimat. Aber mein Freundeskreis hier ist überschaubar – und besteht nicht aus ‚Eingeborenen‘ oder Einheimischen.
Und immer wieder frage ich mich, was diese Heimat eigentlich ist. Für manche ist es die Familie. Für manche ist es die Landschaft und Umgebung, für manche die Freunde. Für Hilde Domin, eine meiner favorisierten deutschen Dichterinnen, war es die Sprache, in der sie nach einer schwierigen Lebens- und Beziehungskrise im Exil anfing, ihre Gedichte zu schreiben. Das wäre es für mich momentan auch nicht – ich kann mich ebensogut auf Englisch unterhalten, finde manchmal sogar, dass ich auf Englisch eine andere Person bin, die mir auch besser gefällt als die deutsche Uta. Und selbst wenn ich wohl keine weitere Sprache mehr so gut lernen würde, wie ich das Englische als Fremdsprache gelernt habe, glaube ich, dass ich nicht die deutsche Sprache um mich herum brauchen würde. (Allerdings habe ich auch nicht das einschneidende Erlebnis der Exilerfahrung gemacht. Ich wusste bei meinen längeren Auslandsaufenthalten immer, dass ich jederzeit nach Hause zurück könnte.)  

Das ist ja auch so eine Ungeheuerlichkeit, mit der abzufinden mir sehr schwerfällt. Als Deutsche Intellektuelle in den 30er und 40er Jahren vor den Nazis flohen, ‚gingen sie ins Exil‘. Wenn heute Menschen aus verschiedensten Gründen, aber eben auch wegen politischer Verfolgung, ihr Land verlassen, spricht man von Asylanten oder Flüchtlingen. Die Konnotationen sind andere, und … aber das ist hier nicht das Thema. 
Das englische Wort 'home' hat eine andere Bandbreite der Bedeutung als das deutsche Wort 'Heimat'. Neulich las ich irgendwo einen Artikel über die Entwicklung dieser Bedeutung - deutsche Romantik, dann die späte Staatsgründung, leider auch viel Volksdeutschtum dabei. Warum empfinden wir die 'Heimat' als bedroht, wenn ein paar Menschen aus anderen Kulturen zu uns kommen? Mir kann Heimat nicht politisch vorgeschrieben, von oben verordnet werden. Denn einem Ostfriesen ist Heimat etwas ganz anderes als der Berchtesgadener Trachtenträgerin. Ist Heimat nicht das, was wir uns selbst machen? Warum muss man darüber streiten? Ich begreife es nicht.

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