Donnerstag, 18. September 2014

Guerilla Knitting in Action - ein Selbsterfahrungsbericht, Teil 3

(Hier finden Sie die Vorgeschichte: Teil 1, und hier Teil 2.)

Großzügig schlug mein Sohn nach dem Verschwinden des abgestellten Fahrrades vor: „Mama, dann nehmen wir eben Dein altes schwarzes Rad, das brauchst Du doch sowieso nicht, und umwickeln das.“
Zwar meinte er ein Rad, das ich wirklich nicht mehr viel gebrauche, aber das herzugeben ich doch noch nicht bereit war. Der Pfarrer half in unserer Notlage, schließlich hatte er das Ganze ja in Gang gesetzt, und machte im Gottesdienst eine Abkündigung, in der er nicht nur um die Spende von weiteren Sockenwoll-Resten, sondern auch um die eines alten Rades bat.
(Am nächsten oder übernächsten Tag stand unser ursprünglich gemeintes Fahrrad wieder im Ständer, und der Pfarrer hatte sogar gesehen, wer es dort abgestellt hat, das verkehrsuntüchtige Vehikel war also noch in Gebrauch, und wir haben dann tunlichst unsere Finger davon gelassen, sozusagen nur drumherum geplant.)
Wir bekamen einen Traum von einem alten Herrenfahrrad gespendet, das der edle Spender zum dauerhaften Symbol für die Radfahrerkirche erklärte. Begehrlichkeiten meines Sohnes, der gleich meinte, nach Abschluss der Umwickelungsaktion könnte er diese schöne Rad für sich herrichten und es dann selbst fahren, wurden auf diese Weise im Keime erstickt.


Außerdem war klar, dass die Gemeindekasse nun noch in ein absolut diebstahlsicheres Schloss wird investieren müssen. Denn so ein Rad weckt sicherlich auch noch weitere Begehrlichkeiten, und wenn es als Symbol für die Fahrradkirche erhalten bleiben soll, muss es gut angekettet werden!
Und dann ging es los mit dem Umwickeln. Erste Fortschritte zeigten bald: trotz bereits stundenlanger Drehleiertätigkeiten noch bei weitem nicht genug Strickschlauch vorhanden! Aber mit kleinen Unterbrechungen und Nachstricken wurde es dem Radl allmählich wärmer.



Erst stand noch in unserem Garten, weil der Pfarrer sich noch nicht entschieden hatte, ob das gute Stück wirklich vor die Kirche oder nicht vielleicht doch in den Kirchenvorraum gestellt werden soll. 


Wenn es draußen stünde, wäre es wegen Regengüssen und ähnlichen Wetterunbilden vermutlich spätestens nach dem Ende der Radsaison Zeit, die gestrickten Schläuche wieder zu entfernen, und dann müsste völlig umdekoriert werden. Denn noch einmal neue Schläuche produzieren werde ich nicht. Das könnten dann die Konfirmanden der Gemeinde übernehmen!
Neben Wollspenden aus der Gemeinde ist in diesem Kunstwerk Material für potentiell sicherlich 10 bis 15 Paar Socken enthalten. Ich bin froh, dass mein Sockenwollkorb nun wieder mir gehört!



Mein persönliches Fazit dieser Aktion? Niemals zuvor habe ich soviel Material in so kurzer Zeit „verstrickt“. Sinn und Zweck einer solchen Strickmaschine, wie wir sie verwendet haben, hat sich mir bis heute eigentlich nicht erschlossen. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wie jemand auf die Idee kommen kann, eine solche Maschine zu entwickeln. Das erstrickte Ergebnis – dieser Schlauch, den die Maschine produziert – ist von einer merkwürdigen Größe/Breite, die eigentlich für nichts zu gebrauche ist. Zeitweise hatte ich sogar gedacht, Guerilla Knitting sei nur erfunden worden, um eben die Ergebnisse dieser Maschinen irgendwo unterbringen zu können. Gut, man kann die Maschine auch auf ‚hin und her’ stellen und dann Schals in Einheitsbreite, kraus rechts herstellen. Aber wieviele Schals will man denn so stricken? Und seien wir doch mal ehrlich: Schals in kraus rechts sehen nur die allerkürzeste Zeit gut aus, sobald sie sich etwas strecken, ist der optische Genuss nur noch gering. Für das Erlernen des Strickens bringt die Verwendung dieser Maschine ebenfalls nichts – man kann nicht mal behaupten, dass ein Gespür für das Stricken entwickelt wird. Beim Produzieren von Schnüren auf der Strickliesel lernen die Kinder wenigstens allmählich, Spannung des Fadens und Heftigkeit der Bewegung aufeinander abzustimmen, die Feinmotorik wird geschult, und ich halte es für eine sinnvolle Vorstufe beim Erlernen der Strickbewegung. Das Ergebnis der Strickliesel allerdings ist sicherlich auch nicht viel sinnvoller als der Strickschlauch aus dieser Maschine.
(In Birmingham habe ich – da war die Fahrradaktion schon in vollem Gang, meine Meinung über die Strickmaschine also bereits deutlich ausgeprägt – dieses Gerät gesehen. Immerhin ohne den Drehleier-Hebel, aber das Bild des potentiellen Ergebnisses auf der Packung ...?




Als ich eine Frau sah, die die Packung abwägend in der Hand hielt, fragte ich sie, ob sie richtig stricken könnte – ja – und habe ihr dann deutlich davon abgeraten, dieses Gerät zu kaufen, stattdessen lieber das Geld in ein Knäuel schöner Wolle zu investieren.)

Andererseits halte ich das vom aus dieser Maschine entsprungenen Schlauch umwickelte Ergebnis doch für sehr gelungen, selbst wenn ein Großteil dieses Erfolges dem ursprünglichen Erscheinungsbild des umwickelten Fahrrades zugeschrieben werden muss. Und nicht der Schönheit der umwickelnden Strickschläuche. 

Für ein paar Tage stand es erstmal im Vorraum der Kirche:
stolzes Ergebnis langer Arbeit!

Sollte jemand auf die Idee kommen, eine ähnliche Aktion in Angriff zu nehmen, empfehle ich dringend die Arbeit in einer größeren Gruppe mit Arbeitsaufteilung, dadurch wird der Spaß bestimmt größer. Und vielleicht kann man dann doch auch das Maß-Bestricken von Gegenständen in Erwägung ziehen, wenn viele Hände helfen.
Ich allerdings werde lieber erstmal wieder meine Nadeln für Socken oder vielleicht den einen oder anderen Pullover oder Pullunder schwingen. Weitere Beteilung meinerseits an Aktionen im Bereich Guerilla Knitting kann ich mir, zumindest mit Strickmaschine, im Moment überhaupt nicht vorstellen!

Seit das Wetter etwas schöner angesagt ist, hat der Pfarrer das Rad nun seiner öffentlichen Bestimmung zugeführt - rechtzeitig für das am Sonntag anstehende Gemeindefest. Ich bin gespannt auf die Reaktionen!


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