Vergangenen Dienstag war ich mit drei Syrern von morgens
halb 6 Uhr an unterwegs. Alle drei waren – zusammen mit ca. 80 anderen
Asylbewerbern, die an verschiedensten Orten in Bayern untergebracht sind – auf
8 Uhr für ihre Anhörung einbestellt. Wir waren ca. 20 Minuten vor 8 am
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die drei bekamen die Nummern 17, 18
und 19, und dann begann das Warten. Die Nummern sagen nämlich gar nichts
darüber aus, in welcher Reihenfolge die Leute aufgerufen werden. Schon bald
wurden die Nummern 56 und 35 aufgerufen, die zu einer Gruppe von 22 Senegalesen
gehörten, die aus der Nähe von Kempten mit einem Bus und einigen Helfern
angereist waren, und ab da ging dann alles durcheinander.
In einer Ecke des Warteraumes plärrte ein Fernseher in fast
unerträglicher Lautstärke, der lief bis kurz vor elf durch, immer wieder
dieselben Nachrichten über Griechenland, das Familiendrama im Münchner Osten
und die Tatsache, dass es ein heißer Tag werden sollte. Und dass der
Fachkräftemangel in Deutschland schon deutlich zu spüren ist – in Bayern gibt
es so viele freie Stellen wie schon lange nicht mehr.
Schon nach einer Stunde konnte man auf den Metallsitzen
eigentlich nicht mehr sitzen. Allerdings war der Raum nordwärts ausgerichtet,
es war also von den Temperaturen her erträglich.
Nummer 19 wurde von unserer Gruppe als Erster aufgerufen –
um 10 Minuten nach 10. Nummer 18 folgte um 20 Minuten vor 11, Nummer 17 um 10 Minuten nach 11. Der Erste kam nach ca.
eineinhalb Stunden wieder runter, der letze um 20 Minuten nach eins. Das
Interview selbst hat bei allen jeweils ca. 10 bis 15 Minuten gedauert, davor
mussten sie im oberen Stockwerk nochmal warten, danach dann zur Abnahme des
Fingerabdrucks und Foto ebenfalls. Und zwischendurch wurde einfach eine Stunde
Mittagspause eingelegt, in der beim Fingerabdruck gar nichts vorwärts ging.
Gegen Mittag wurde es schon wieder etwas leerer, und der Fernseher war wieder aus. |
So richtig gemütlich - die Teppichauslegware im Wartebereich. |
Man kann sich ungefähr ausrechnen, welche Kosten so ein
einzelner Tag verursacht – ca. 85 Asylbewerber (mindestens) reisen von allen
möglichen Orten in Südbayern an, die Kosten für die Fahrten werden von den Landratsämtern übernommen,
irgendwas zwischen fünf bis fünfzehn Sachbearbeiter führen die Interviews
durch, zuzüglich der notwendigen Dolmetscher für verschiedene Sprachen, der
Sicherheitsdienst, das Personal für Fingerabdrücke und Fotoaufnahme, und sicher
gibt es noch weitere Kostenverursacher. Da fragt man sich schon, ob es nicht
doch sinnvoller wäre, dieses Dublin-Verfahren abzuschaffen, die Menschen hier
ihren Asylantrag stellen zu lassen und durchzuführen – selbst wenn dabei
herauskommt, dass es kein politisch begründeter Antrag ist – und dieses Geld
stattdessen in verpflichtende und qualifizierte Deutsch- und Integrationskurse
zu stecken. Dann hätten die Menschen in ihrer Wartezeit auf die Durchführung
ihres Verfahrens wenigstens eine sinnvolle Beschäftigung und kämen vielleicht,
selbst wenn sie kein Bleibe- oder Aufenthaltsrecht bekommen sollten, mit einer
gewissen Qualifikation in ihre Ursprungsländer zurück.
Aber die Abläufe für ein Dublinverfahren und die
Vorschriften, denen die Asylbewerber unterworfen sind, sind so verschwurbelt,
dass man nur den Kopf schütteln kann – wie kann man sich nur so etwas
ausdenken? Mit Rationalität, Pragmatismus und vor allem einem Mindestmaß an
Menschlichkeit und mitmenschlichem Denken hat das nichts zu tun. Vermutlich –
ziemlich sicher - werden alle drei Männer, die ich begleitet habe, die
Nachricht bekommen, dass sie wegen der Einreise über ein Drittland keine
Berechtigung haben, in Deutschland ihren Asylantrag zu stellen. Zwei sind über
Griechenland eingereist, der dritte ist wohl zum ersten Mal in Bulgarien
registriert worden. Sollen die zwei nach Griechenland geschickt werden, wo im
Moment gerade sicher nicht organisierte und effiziente Asylverfahren durchgeführt werden? Alle drei kommen aus
Gegenden in Syrien, wo im Moment der Krieg tobt. Muss da noch nach einem
Dublin-3-Verfahren vorgegangen werden? Und prompt beschließt der Bundestag mit
den Stimmen der Koalition eine Verschärfung des Asylrechts, die eine weitere
Kriminalisierung dieser notleidenden Menschen darstellt. Was soll das Ganze
eigentlich?
Man muss sich wirklich schämen, Bürger/in eines Staates zu
sein, der sich solche schrägen Dinge ausdenkt und streng bürokratisch
durchzieht.
Liebe Uta, mit Bestürzung habe ich Deinen Artikel gelesen - es ist nicht nachvollziehbar, warum solche Bürokratie herrscht. Es ist bewundernswert, wie Du Dich einbringst, um diesen armen Menschen beizustehen. Asylbewerber sind doch nahezu alle zuerst in Südeuropa an Land gegangen, diese Länder sind doch dann erst recht überfordert - das Dilemma ist erschreckend.
AntwortenLöschenViele Grüße aus Dresden
Erika
Und jetzt warten wir erstmal ab, wie Griechenland heute entscheidet - vielleicht entstehen dadurch ja für die Asylbewerber neue Chancen, denn ins totale Chaos wird man sie nicht 'rückführen' dürfen...
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