Freitag, 23. Juni 2017

Bayern radikalisiert: "Es reicht!"

Mein Verhältnis zur bayerischen Politik ist ja in fast allen Bereichen noch wesentlich gestörter als mein Verhältnis zu meinem Garten. Darüber will ich mich hier auch eigentlich nicht weiter auslassen, weil ich ja keinen politischen Blog schreibe. Aber nachdem mir auf den letzten Patchworkevents eben doch am Stand immer wieder auch explizit dafür Dank oder Anerkennung ausgesprochen wurde, dass ich mich für Flüchtlinge einsetze und dies auch öffentlich mache, denke ich, dass es in Ordnung ist, wenn ich hin und wieder darüber schreibe. Zumal es mich persönlich so beschäftigt, dass eigentlich nur wenig Platz für Anderes bleibt.
Jetzt hat Bayern es auch geschafft: in meinem ganzen Leben war ich bisher nur ein einziges Mal auf einer Demonstration, und die war nicht wirklich politisch motiviert. Aber morgen gehe ich auf Demonstration! Ich bin eigentlich kreuzbrav, habe nie wirklich aufgemuckt, keine Drogen genommen, noch nie geraucht, höchstens mal den falschen Mann geküsst, aber auch das ist schon sehr lange her, und eben auch nie besonders auffällige politische Meinungen vertreten. Aber jetzt.

"Es reicht!" lautet der Slogan, unter dem die Ehrenamtlichen- und Flüchtlingsverbände für morgen zur Demonstration in München aufgerufen haben. Ab 13 Uhr am Marienplatz, mit Ende vor der Staatskanzlei. Diesmal habe ich vorher davon erfahren - neulich war mal eine, da habe ich erst danach davon gehört, eine andere, als ich in Karlsruhe war und nicht zur gleichen Zeit in München demonstrieren konnte. Und wir fahren mit einigen Mitgliedern der Klasse.
Heute habe ich Plakate gemalt.


Morgen Vormittag geht es mit dem Zug hin. Ich bin gespannt.

Bei einer Bekannten las ich neulich diese Postkarte, die sicherlich auch nicht politisch gemeint ist.


Aber die jetzt dafür ganz gut passt. Ich bin auch nicht besonders links eingestellt. Aber ich verstehe nicht, warum es nicht möglich ist, dieses Flüchtlings- und Aufenthaltsproblem zu LÖSEN, anstatt an immer weiteren Versuchen zur Verhinderung rumzudoktern. Damit kommen wir nicht weiter. Welchen Sinn macht es, 30 Millionen Euro für die Errichtung von Abschiebezentren auszugeben? Wenn diese Millionen zur Hälfte in den sogenannten Herkunfstländern sinnvoll investiert würden und zur anderen Hälfte hier einem gut strukturierten Integrationskonzept ein Fundament geben würden, wäre schon viel erreicht. Wenn die Flüchtlinge, die zwar unter falschem Wunsch auf politisches Asyl gekommen sind, aber gut Deutsch gelernt haben und Chancen haben, eine Arbeitsstelle zu kriegen, einfach und unkompliziert eine - gerne auch erstmal befristete - Arbeitserlaubnis kriegen würden (und dann Steuern zahlen könnten, nicht mehr durch Steuermittel finanziert werden müssten), wäre auch schon viel erreicht. Ehrenamtliche Helfer können schon unterscheiden zwischen Flüchtlingen, die integrierbar sind und denen, die es nicht sind. Ohne Pauschalurteile aussprechen zu wollen - den Afrikanern eine Ausbildung zu verweigern, so wie Bayern es zur Zeit macht, ist eine so kurzsichtige Denkweise, dass einem die Haar zu Berge stehen müssen. Und mir reicht es jetzt auch.
Der Adrenalinspiegel steigt schon. Mein Sohn meinte zwar vorhin, "was passiert, wenn ihr morgen da von Aggro-Typen angegangen werdet? Oder ist da auch Polizei da?" Das hat mich gerührt, weil es doch zeigte, dass bei allen pubertären Reibereien, die derzeit zwischen uns beiden ablaufen, doch ein irgendwie geartetes Gefühl bei ihm vorhanden ist, und Sorgen machen will ich ihm natürlich nicht. Meine etwas flapsige Antwort "dann sterben wir für eine gute Sache!" tut mir jetzt ein bisschen leid, und ich werde nachher noch einmal mit ihm darüber reden. Aber es ist mir ernst. Es reicht, es kann nicht so weitergehen, und ich bin durch die bayerische Flüchtlingspolitik, die eine Integrationsverhinderungs- und Ehrenamtliche-verachtende Politik ist, tatsächlich 'radikalisiert' worden. So, wie so ein kreuzbraves Mädel, wie ich es eigentlich bin, eben radikalisiert werden kann. Jetzt wäre ich sogar so weit, für politische Mandate zu kandidieren. Nur gibt es eben nicht die richtige Partei, der ich mein Engagement widmen könnte...

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